Sechzig Jahre lang ergoss sich jener Lebenssaft, den man Geld nennt, in die Landschaft. Dort ist er zu Hüslis erstarrt. Mittlerweile sind alle gegen die Zersiedelung - «doch mein Hüsli ist keine». Diese markigen Worte stammen vom Architekturkritiker Benedikt Loderer.
In der Tat ist unser Land übersät mit scheinbar ungeordneten Überbauungen und Infrastrukturanlagen, Siedlungsbrei eben. Camille Martin und Hans Bernoulli, zwei weitsichtige Architekten, sahen bereits 1929 den Beginn der unheilvollen Entwicklung: „Der städtische Verwaltungsbezirk ist vollständig verwischt durch die Flut der Bauten, die seine Grenzen überströmt, sich in verschiedene Rinnsale ergiesst, um weit draussen in zufälliger, unberechenbarer Weise zu versanden. Die scharfen Grenzen zwischen Stadt und Land sind aufgehoben."
Ein langer Weg
Es vergingen rund 40 Jahre, bis das Thema politische Brisanz erhielt. 1969 wurde ein Raumplanungsartikel in die Bundesverfassung aufgenommen. Doch die Zeit drängte. 1972 verabschiedete das Bundesparlament einen dringlichen Bundesbeschluss. Bauwut, Zersiedelung und Bodenspekulation sollten gestoppt werden. Doch die Versiegelung der Landschaft ging dennoch munter weiter, bis heute. Immer wieder gab es aber in den letzten Jahren Lichtblicke. Insbesondere drei erfolgreiche Initiativen – Zweitwohnungsinitiative 2012, Kulturlandinitiative Zürich 2012, Revision der Raumplanungsgesetzes 2013 – zeigen, dass das Stimmvolk die Lage erkannt hat. Doch hapert es an der Umsetzung. Die Behörden tun sich schwer, die Schranken zu akzeptieren.
Sand im Getriebe
Es gibt viele Gründe, warum dem Landfrass nicht genügend Einhalt geboten werden kann – und darum keinen Haupttäter.
Ein falsches Signal setzte beispielsweise die Wohneigentumsförderung des Bundes. Die niedrige Wohneigentumsquote in der Schweiz sieht man als Makel. Günstige Hypotheken und steuerbegünstigtes Bausparen wecken den Wunsch nach einem Eigenheim. Damit einher geht die wachsende Wohnflächenbeanspruchung pro Person. Neue Wohnungen sind meist grosszügig angelegt, mit stattlichem Wohnraum und eleganten Wohnküchen; das braucht viel Fläche.
Ein weiterer Aspekt ist die irrige Annahme, dass Bevölkerungswachstum mehr Steuereinnahmen bringt. Gemeinden werben für ihre Wohnlagen und sind stolz auf das Anwachsen der Einwohnerzahl. Die Neuzuzüger brauchen Wohnraum.
Was zu tun wäre
Es muss ein Umdenken einsetzen. Grosse Wohnraumflächen als Luxusgut sollten an Attraktivität verlieren. Die Frage sei erlaubt: Wie viel Wohnfläche braucht man zum Leben? Nachhaltige Formen des Wohnens sind zu fördern. Neben Energieeffizienz, naturnahen Siedlungsumgebungen, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gilt auch das Gebot der Suffizienz. Indirekte Wohnflächenbeschränkungen findet man beispielsweise bei Wohngenossenschaften. Zimmerzahl plus eins ergibt die Mindestanzahl Personen, die eine Wohnung belegen dürfen. Diese Formel hat sich bewährt.
Die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen
Die Initianten prangern den Pro-Kopf Verbrauch von Flächen an. Den Hauptgrund sehen sie darin, dass die Bauzonen zu grosszügig bemessen sind. Der Anreiz für eine Verdichtung innerhalb der Siedlung bleibt deshalb klein. Das Volksbegehren fordert deshalb, dass keine Einzonung ohne Auszonung erfolgen darf. Neben der Begrenzung der Bauzonen sieht die Initiative vor, dass Bund, Kantone und Gemeinden Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit hoher Lebensqualität und kurzen Verkehrswegen schaffen müssen. Die Unterschriftensammlung läuft noch bis 21.10.2016.
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