Was bisher geschah
Die Strategie Biodiversität Schweiz (SBS) des Bundes formuliert zehn strategische Ziele und wurde 2012 verabschiedet. Gleichzeitig wurde damals festgelegt, dass Sommer 2014 ein Aktionsplan mit konkreten Massnahmen für die Umsetzung vorliegen solle.
Seit der Verabschiedung der SBS wurde ein partizipativer Prozess mit 650 Fachleuten aus Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft durchgeführt, die 500 Massnahmenvorschläge erarbeiteten. Bis Ende 2013 wurden daraus 110 priorisierte Massnahmen. Im April 2015 enthält der Entwurf noch 71 Massnahmen. 54 davon werden zur Vorkonsultation den Kantonen vorgelegt. Diese reagierten mehrheitlich zustimmend. Seither herrscht von Seiten des Bundes Funkstille was den Aktionsplan betrifft.
Einziger Lichtblick ist der Beschluss des Bundesrates im Mai 2016 für Sofortmassnahmen in Biotopen von nationaler Bedeutung und für die Biodiversität im Wald. Für die Sicherung der Biodiversität genügt dies aber bei weitem nicht.
“Bereits für Sommer 2014 hatte Bundespräsidentin Leuthard einen Aktionsplan für den Erhalt der Biodiversität in der Schweiz angekündigt. Ein solcher lässt jedoch weiterhin auf sich warten.“
Werner Müller, Geschäftsleiter BirdLife Schweiz
Die Naturschutzorganisationen BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz greifen ein und haben am 17. Juli einen eigenen Zwischenbericht publik gemacht. Eine Analyse zeigt, dass von den 120 Teilzielen der SBS voraussichtlich lediglich 14 bis 2020 erreichbar sein werden. Zwei Tage später meldet sich der Bund mit seinem Bericht „Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung“. Das BAFU kommt zum gleichen Schluss: Die Befunde sind beunruhigend.
Volksvertreter und Umweltorganisationen machen Druck
Die drei Organisationen fordern vom Bundesrat einen konkreten Aktionsplan Biodiversität mit wirksamen Massnahmen. Eile ist geboten, denn die biologische Vielfalt in der Schweiz nimmt stetig ab. Das scheint den Bund aber wenig zu beeindrucken. 9 Anfragen von Parlamentariern in der Sommersession 2017 bezüglich Aktionsplan zeigen, dass auch der Nationalrat auf Antworten wartet. Insbesondere geht es auch um die finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Massnahmen. Denn die Gemeinden sind meist nicht in der Lage, diese Herausforderung fiskalisch zu bewältigen.
Auch hier sind nun Biodiversitätsfachleute am Werk. Beteiligt sind ein beachtlicher Teil der Teilnehmer, die am partizipativen Prozess des Bundes mitgearbeitet haben. Der Ausgangspunkt eines Rettungsplans basiert auf dem Resultat der damaligen Arbeiten von 2013. Am 27. Juni wurde der Entwurf des “Aktionsplans Biodiversität Schweiz: Anforderung aus Sicht der Zivilgesellschaft“ von 80 Fachleuten aus Organisationen der Zivilgesellschaft diskutiert. Der bereinigte Bericht soll nach den Sommerferien Bundesrätin Leuthard vorgelegt werden.
“Wir dürfen nicht mehr länger warten, deswegen werden wir dem Bund einen eigenen Vorschlag präsentieren, wie er das Aussterben und den Verlust der Naturräume stoppen kann.“
Friedrich Wulf, Projektleiter Politik und Internationales Pro Natura
Das BAFU seinerseits lässt verlauten, dass der Bundesrat voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte den Aktionsplan beraten und weitere Schritte beschliessen werde.
Randbemerkungen
Es ist erstaunlich, dass in der Politik ein derart wichtiges Thema wie die Biodiversität bisher bloss eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Der ausgeübte Druck von Nichtregierungsorganisationen ist eine Notwendigkeit. Umweltorganisationen monieren in ihrer Medienmitteilung, “dass trotz dieser besorgniserregenden Einsicht kein höheres Tempo angeschlagen wird bei der Rettung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, erachten die Umweltverbände als verantwortungslose Politik.“ (Medienmitteilung vom 17. Juli 2017 von BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz)
Auffällig ist auch, dass bei bereits bestehende Massnahmen eines Bereichs mit anderen Bereichen kaum Verknüpfungen vorhanden sind. So wird in den im Mai 2016 bewilligten Sofortmassnahmen für dringliche Sanierungs- und Aufwertungsmassnahmen für die Biodiversität im Wald zum Beispiel die Waldrandpflege berücksichtigt. Die Verzahnung mit dem angrenzenden Offenland wird aber nicht thematisiert. Auf Seiten der Landwirtschaft fehlen Anstrengungen.
“Alle“ warten nun auf einen staatlich abgesegneten Aktionsplan. Erhofft wird, dass dann Massnahmen schnell und wirksam umgesetzt werden. Das sind hohe Erwartungen. Jeder einzelne kann sich jetzt schon - jenseits von Politik und Finanzen – für die Biodiversität einsetzen. Und das ist gar nicht so schwierig, wenn man sich denn mal kundig macht.
“Schätzungen gehen aufgrund der Abnahme an Biodiversität und ihren Ökosystemleistungen von Verlusten von weltweit 4‘000-20‘000 Milliarden CHF pro Jahr aus. In der Europäischen Union wurden die jährlichen Kosten des Nichthandelns (d.h. die Kosten der zu kompensierenden Leistungen der Ökosysteme die durch den Biodiversitätsverlust wegfallen) bis 2050 auf rund 4% des Bruttoinlandprodukts (BIP) geschätzt.“ Bundesrätliche Verlautbarung
Weiterführende Informationen:
Strategie Biodiversität Schweiz
Zwischenbericht Umweltorganisationen
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