Regelmässig werden Berichte von pestizidvergifteten Bienenvölkern oder pestizidbelasteten Gewässern veröffentlicht. Dennoch ist es eine wahre Herausforderung, den Pestizidgebrauch zu reduzieren oder gar einzustellen. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung und dem gleichzeitigen Rückgang von Anbauflächen, die Siedlungsraum weichen müssen, wächst der Druck auf die Landwirtschaft. Auf kleineren Anbauflächen wird mehr Ernteertrag erwartet denn je. Gleichzeitig kämpft die Landwirtschaft gegen eine wachsende Zahl von Schädlingen, die der Ernte den Garaus machen.
Daher sind Pflanzenschutzmittel essentiell, um Ernteausfälle zu vermeiden und die Qualität der Produkte zu gewährleisten. Es wird geschätzt, dass ohne den Einsatz von Pestiziden & Co. die Erntebeträge um 30 bis 40% zurückgehen würden.
Bekanntlich sind Pflanzenschutzmittel oft schädlich für Mensch und Umwelt. Deshalb hat der Bund bereits in den 1970er Jahren den integrierten Pflanzenschutz eingeführt. Chemische Bekämpfung sollte erst zum Zuge kommen, wenn präventive Massnahmen (Fruchtfolge, Nützlingsförderung, robuste Sorten) und nicht-chemische Methoden gescheitert sind. Dieses Konzept hat der Bund mittlerweile neu überarbeitet. Letzte Woche wurde der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel vom Bundesrat verabschiedet.
Risikoreduktion und Alternativen als Hauptziele
Im Aktionsplan geht es nicht um eine pauschale Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Anstelle sollen die Risiken, die von Pflanzenschutzmitteln ausgehen, minimiert werden. Bei der Ausarbeitung des Aktionsplans wurden diverse Risiken identifiziert, die zum einen Anwender und Konsumenten, aber auch die Umwelt betreffen. Für Anwender besteht zum Beispiel ein erhöhtes Risiko, da sie den Substanzen beim Versprühen direkt ausgesetzt sind. Konsumenten hingegen laufen eher Gefahr, dass sie auf Rückstände in Lebensmitteln oder im Trinkwasser treffen. Durch Run-Off in Gewässer und Nebeneffekte bei Nichtzielorganismen wie Bienen besteht natürlich ebenfalls ein erhebliches Risiko für die Umwelt. Konkret ist vorgesehen, dass die Risiken in den genannten Bereichen halbiert werden. Zusätzlich ist es nötig, dass Risikokenntnisse fortlaufend verbessert werden und neue Methoden zur Risikoreduktion erworben werden.
Neben der Risikominimierung ist aber auch die Förderung von nicht-chemischen Pflanzenschutzmitteln ein zentrales Ziel. Unabhängig vom Risiko soll zudem die Anwendung und Emission von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden, um die Landwirtschaft ressourcenschonender zu gestalten.
Insgesamt wurden im Aktionsplan 8 langfristige Leitziele definiert, die anhand von Zwischenzielen laufend evaluiert werden können.
Konkrete Massnahmen
Der Bund hat 50 Massnahmen im Aktionsplan aufgeführt, die in drei Bereiche unterteilt sind: Anwendungen, spezifische Risiken und begleitende Instrumente.
Bei den Anwendungen ist geplant, die Menge an Pflanzenschutzmitteln und deren Emission zu senken, indem die Substanzen präziser verteilt werden. Massnahmen zur Senkung von spezifischen Risiken, die zum Beispiel Oberflächengewässer oder Nichtzielorganismen betreffen, wurden ebenfalls aufgestellt. Als begleitende Instrumente werden Bildung und Beratung für die Anwender empfohlen. Ausserdem soll vermehrt Forschung nach Alternativen zu chemischen Mitteln stattfinden.
Wie sehen solche konkrete Massnahmen aus?
Beispiel: Mechanische Unkrautbekämpfung ohne Herbizide wird mittels Direktzahlungen ab 2020 gefördert
Beispiel: Pufferstreifen müssen erstellt werden, falls das Abschwemmrisiko von Erde/Wasser aus behandelten Flächen in der Nähe von Gewässern zu gross ist
Beispiel: Um die Menge an Fungiziden zu reduzieren sollen resistente Sorten gefördert werden
Selbstverständlich ist auch die Gesellschaft bei der Umsetzung dieser Massnahmen gefordert. Sie muss bereit sein, höhere Preise für Produkte zu zahlen, und muss ihre ästhetischen Qualitätsansprüche an die Ernte senken. Sonst entsteht ein enormer Widerspruch: Wir Konsumenten möchten pestizidfreie Lebensmittel, die aber optisch einwandfrei sein sollen. Ein Landwirt kann solch eine Anforderung praktisch nicht erfüllen. Deshalb ist ein Umdenken bei den Konsumenten nötig; warum nicht einmal den Apfel mit Flecken nehmen?
Nicht alle sind zufrieden
Die Verfasser des Aktionsplans sehen ihn als Chance für die Schweizer Landwirtschaft. Man möchte ein Zeichen für ökologisches Handeln setzen, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.
Allerdings erteilt eine Reihe von Verbänden und Organisationen dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel die Note ungenügend. Der Schweizer Bauernverband begrüsst zwar den Aktionsplan, kritisiert aber, dass andere Anwender, wie private Gartenbesitzer und die Bahn, nicht in Verantwortung gezogen werden. Auch Biosuisse zeigt sich enttäuscht: Ihrer Meinung nach wird der Bio-Anbau, der zurzeit 13.5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmacht, durch den verabschiedeten Plan nicht genügend unterstützt. In einer Medienvermittlung lässt apisuisse, die Dachorganisation der Schweizer Imkerverbände, verlauten, dass die Ideen zwar gut seien, aber es betreffs der Umsetzung an quantifizierbaren Zielen mangle.
Wie die Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel verläuft, werden wir in sechs Jahren sehen; dann ist der erste Zwischenbericht geplant.
Weitere Infos:
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW): Aktionsplan Pflanzenschutzmittel
Medienmitteilung Schweizer Bauernverband
Medienmitteilung Biosuisse
Medienmitteilung apisuisse
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