Ein bisschen mehr Paradies

Am 23. September 2018 stimmt das Schweizer Stimmvolk über die im November 2017 von den Grünen eingereichte Fair-Food-Initiative ab.

 

Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel – so der Slogan der Fair-Food-Initiative. Kurz: Die Nahrung der Schweizerinnen und Schweizer soll vermehrt aus einer naturnahen und tierfreundlichen Landwirtschaft mit anständigen Arbeits- und Produktionsbedingungen stammen. Produktion, Verarbeitung und Verbrauch sollen möglichst in derselben Region stattfinden.

Die Hintergründe sind offensichtlich. Saisonale und regionale Lebensmittel sowie verkürzte Transportwege stellen eine geringere Belastung unserer Umwelt dar. Eine naturnähere Landwirtschaft – laut Initianten durch Ablehnung von industriellen Monokulturen, Massentierhaltung und einem übermässigen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden – ist klimaschonender und schützt unsere Böden und die Biodiversität. Und nicht zuletzt: Artgerechte Tierhaltung und faire Arbeitsbedingungen sind schlicht und einfach moralisch vertretbarer als eingepferchte Hühner und 16-Stunden-Schichten zu Tiefstlöhnen in spanischen Gewächshäusern.  

Umweltschonend

Durch finanzielle Anreize oder Zielvereinbarungen mit der Lebensmittelbranche sowie eine klare Kennzeichnung soll der Bund die Produktion und Verarbeitung von regional hergestellten, saisonalen Lebensmitteln fördern. Dazu gehört die Stärkung von kleinbäuerlichen Strukturen und ökologischen Anbaumethoden. Gegenüber Lebensmitteln aus der industriellen Landwirtschaft sollen ressourcen- und klimaschonend hergestellte Lebensmittel einen Marktvorteil erhalten.

Die Fair-Food-Initiative will dem Bund ausserdem den Auftrag erteilen, Massnahmen zur Eindämmung der Lebensmittelverluste (ein Drittel der Lebensmittel landet im Abfall) zu erarbeiten.

Fair

Auch wenn in der Schweiz bezüglich Tierschutz generell höhere Standards gelten, importieren wir dennoch tierische Produkte aus Ländern mit industrieller Massentierhaltung - und kaufen sie hierzulande zu spottbilligen Preisen. Oft sind Herkunftsländer und Produktionsmethoden nicht klar deklariert. Das Verdrängen einer ungemütlichen Realität wird uns Konsumenten so leicht gemacht. Damit soll Schluss sein. Die Fair-Food-Initiative fordert eine transparente Kennzeichnung, beispielsweise Poulet mit einem „Aus in der Schweiz verbotener Produktionsmethode stammend“-Aufkleber. So hatte bereits Albert Rösti (SVP) in einer Motion gefordert.

Knapp die Hälfte aller in der Schweiz konsumierten Lebensmittel wird im Ausland produziert. Oft geschieht dies unter den prekärsten Arbeitsbedingungen – die günstigsten Tomaten oder Peperoni kommen nicht grundlos aus Spanien. Die ausländische Billigkonkurrenz führt hierzulande vermehrt zu tieferen Löhnen bei Bäuerinnen und Bauern. Dadurch wird die landwirtschaftliche Arbeit zur Billiglohnarbeit und wiederum zunehmend an ausländische Arbeitskräfte vergeben – auch in der Schweiz nicht selten zu Tiefstlöhnen.
Mit der Fair-Food-Initiative wollen die Initianten deshalb auch Fair-Trade-Produkte beim Import begünstigt sehen.

Wie kann man das nicht wollen?

Es sei arrogant, allen Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie mit «gutem Gewissen» zu geniessen haben, schreibt Angelika Hardegger in der NZZ in ihrem Kommentar zur Fair-Food-Initiative. Auch Bundesrat und Parlament finden, die Initiative sei unnötig: Selbstverständlich würden die Absichten geteilt, nur brauche es zur Umsetzung der Anliegen keine zusätzliche Verfassungsänderung. In der Schweiz würden für Lebensmittel bereits hohe Standards gelten.

Der Bundesrat befürchtet, die Annahme der Initiative könne zu Konflikten mit der nationalen und internationalen Handelspolitik führen. Das Abkommen mit der Welthandelsorganisation (WTO) basiert auf dem Grundsatz der  Nichtdiskriminierung: Ausländische Ware dürfe nicht ungünstiger behandelt werden als inländische, sofern sie gleichwertig sei. Weil das WTO-Recht aber Produktionsmethoden und –bedingungen nicht zu den Kriterien der Gleichwertigkeit zählt und sie deshalb nicht als einen Grund ansieht, den Warenimport zu verhindern, befürchten Gegner der Initiative das Entstehen von Handelsstreitigkeiten. Das auf der Verletzung des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes beruhende Gegenargument, in der Schweiz würden mit Annahme der Initiative nur noch Lebensmittel in den Verkauf gelangen, die mindestens nach den hier geltenden Umwelt- und Tierschutznormen sowie unter Einhaltung von fairen Arbeitsbedingungen produziert wurden, läuft ins Leere. Das Initiativkomitee fordert lediglich, dass sowohl Produkte aus der Schweiz als auch Importprodukte eine nachhaltige Entwicklung fördern sollen; und zwar im Rahmen der bestehenden Handelsverträge.

Quellen und weitere Informationen:
Fair-Food-Initiative
Empfehlung von Bundesrat und Parlament
Infosperber: Sklavenarbeit für Obst und Gemüse
NZZ Kommentar

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