Sowohl SBB wie SES haben eben zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Thematik aufgerufen. Während sich die Schweizerische Energiestiftung (SES) eher mit der theoretischen Auseinandersetzung, der Auslegeordnung und dem unbestrittenen Aktionsdefizit beschäftigt, obliegt es den Bundesbahnen (SBB) neue Kombinationsmöglichkeiten verschiedener umweltfreundlicher Verkehrsmittel und Dienstleistungen für Strasse und Schiene in die Praxis einzubringen.
Mit dem Produkt Green class der SBB, das während des Jahres 2017 erprobt wurde und jetzt definitiv eingeführt wird, soll eine finanziell attraktive und ökologisch nachhaltige Tür-zu-Tür-Mobilität aus einer Hand angeboten werden. Das neue Mehrjahres-Mobilitätsabo verknüpft das GA mit einem aus vier Modellen auszuwählenden Elektroauto, dessen Versicherung und allfällige Reparaturen ebenso inbegriffen sind wie der Parkplatz am Bahnhof. Ziel ist die Umsetzung der Mobilität als Dienstleistung (MaaS = Mobility as a Service) und damit ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, indem sich das Mobilitätsverhalten verändern lässt, so wie die Erfahrung mit den bisherigen Benutzern zeigt.
Dass Veränderungen dringend nötig sind und die geforderte Verkehrswende im Kopf beginnt, offenbarte auch mit erdrückender Klarheit die Tagung der SES zur Mobilität. Insbesondere durch das einleitende Grundsatzreferat des bekannten Verkehrsingenieurs Prof. Hermann Knoflacher aus Wien wurde entwicklungsgeschichtlich untermauert, was im Kopf des Menschen vorgeht und welchen Platz dabei das Auto mittlerweile darin einnimmt. Die Folgen sind dramatisch: Emissionen, Gesundheitsschäden, Landverbrauch, Übernutzung der Ressourcen, Zerstörung sozialer Strukturen; … weil Zusammenhänge zwischen Eingriffen und Folgen nicht erkannt wurden.
„Autos müssen aus unseren Köpfen, Häusern, Garagen und Strassen entfernt und am Rand unserer Lebensräume untergebracht werden. Erst wenn die Strassen wieder Lebensräume sind, kommt es zur Verkehrswende.“
- Prof. Dr. Hermann Knoflacher, Wien
Das Auto ist in unseren Köpfen, aber erstaunlicherweise ist die bekannte Aussage „wer Strassen sät, erntet Verkehr!“ noch längst nicht in alle Köpfe eingedrungen. Noch immer manifestiert sich, dass der Verkehr schneller wächst als die Wirtschaft, dass ineffiziente Verkehrssysteme aufrechterhalten werden und viele Fehlanreize bestehen.
„Die Mühsal der Wege war überwunden bis man überraschend im Stau landete und seither weitere Fahrbahnen baut, um ihn loszuwerden.“
- Prof. Dr. Hermann Knoflacher, Wien
Notwendig sind weniger Verkehrsleistungen durch Vermeidung unnötiger Fahrten und Transporte, umweltschonende Verkehrsmittel durch Verlagerung vom Auto auf ÖV, Rad und Fuss sowie besserer und effizienterer Verkehr durch sparsamere, ressourcenschonende, geteilte und erneuerbar betriebene Fahrzeuge.
Die Verkehrswende ist Teil der Energiewende, da 36% des gesamtschweizerischen Endenergieverbrauchs auf das Transportwesen fällt. 94% wird mit Erdölprodukten gedeckt, was zur Folge hat, dass der Verkehr 32% der hiesigen Treibhausgasemissionen ausmacht. Soll die Energiestrategie 2050 erfolgreich werden, reicht es nicht, von der konventionellen Stromerzeugung abzukehren, ohne die Dekarbonisierung des Verkehrs massiv voranzutreiben.
„Damit wir mobil bleiben, braucht es weniger Verkehr bei tieferem Energieverbrauch.“
- Florian Brunner, Projektleiter SES
Mit der Forderung der autogerechten Stadt hat die unselige Entwicklung der Ungleichheit der verschiedenen Verkehrsteilnehmer eingesetzt, die bis heute ehedem gut funktionierende, gewachsene Strukturen zerstörte und Lebensqualität vernichtete. Geschwindigkeit macht Wege lang und immer länger, fördert die Entfremdung in der Wohnsiedlung und verändert dadurch soziale Verhältnisse.
Mit dem Recht des Stärkeren wurden wertvolle Substanzen geopfert, um dem sog. Fortschritt, dem Wachstum von Verkehr, Tourismus, Wirtschaft zu frönen.
Müssen wir diese Entwicklung weiter mitmachen? Müssen wir immer mehr wollen, ständig wachsen?
Wachstum ist angesichts der ansteigenden Weltbevölkerung und schwindender Ressourcen aber definitiv keine Strategie.
Dieser Spirale müssen wir entweichen, wollen wir ernsthaft Massnahmen zur Verkehrs- und Energiewende und somit zum Klimaschutz ergreifen und auch umsetzen. Entschleunigung ist angesagt, wir müssen nachhaltiger unterwegs sein, die Qualität unseres Umfeldes wieder pflegen, Strassenräume wieder zu Stadt- und Lebensräumen gestalten: die Politik ist gefordert, aber auch wir alle - handeln und wandeln!
Quellen und weitere Informationen:
Green Class der SBB
Energiestiftung SES
Vortrag S. Penher (21.09.2018): Verkehr frisst Raum, Zeit und Energie
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