Anlässlich des Welternährungstags vom 16. Oktober veranstaltete der Verein agrarinfo mit der Unterstützung von weiteren Hilfswerken und Organisationen eine Tagung zum Thema Agrarökologie – System Change in der Landwirtschaft. Die Problematik ist hoch aktuell, denn das weltweit vorherrschende Agrarsystem ist unter anderem mitverantwortlich für den Verlust der Biodiversität, das Sterben von Kleinbauernbetrieben, den Landraub und die Übermacht der Grosskonzerne. Sowohl in reichen Ländern als auch in Entwicklungsländern steht die landwirtschaftliche Produktion unter grossem Druck. An der Tagung wurde aus verschiedenen Perspektiven ein möglicher Systemwechsel mit Hilfe der Agrarökologie beleuchtet.
Fragwürdiger Freihandel
Die wirtschaftliche Seite zeigte der Ökonom Mathias Binswanger auf. Er machte mit seinen Ausführungen klar, dass der Freihandel für die globale Ernährungssituation nicht zukunftstauglich ist. Die Exportorientierung verstärkt insbesondere im Globalen Süden die Armut und die Unterernährung der Bevölkerung. Denn diese Länder setzen auf wenige Produkte, cash crops, mit Monokulturen für den globalen Markt und vernachlässigen die heimische Produktion vielfältiger Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung. Die Abhängigkeit von internationalen Konzernen ist dadurch enorm. Binswanger sieht in der Agrarökologie eine grosse Chance, diese Ungerechtigkeiten zu lindern.
"Nahrungsmittel sind ein Sonderfall. Da geht es um die Ernährung der Menschen in einem Land, da spielt die Ernährungssouveränität oder die Versorgungssicherheit eine grosse Rolle. Dann ist Freihandel nicht der richtige Weg, weil das dazu führt, dass man nicht mehr für die Versorgung der eigenen Bevölkerung produziert, sondern für den globalen Markt."
Prof. Dr. Mathias Binswanger, FHNW
Agrarökologie als mehrdeutiger Begriff
Was ist unter Agrarökologie zu verstehen? Mehrere Referenten gingen auf diese Frage ein. Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: Die Wissenschaft hat sich als erste mit diesem Thema beschäftigt, daraus entwickelte sich eine konkrete landwirtschaftliche Praktik, und schliesslich bildete sich eine internationale politische Bewegung. Alle drei Bereiche – Wissenschaft, praktische Anwendung und Politik - decken wichtige Aspekte einer nachhaltigeren Landwirtschaft ab. Wirtschaft, Umwelt und Gerechtigkeit sind gleichermassen damit angesprochen. Zentral ist eine nachhaltige Bewirtschaftung, die auf lokale Gegebenheiten Rücksicht nimmt und möglichst ohne chemische Hilfsstoffe auskommt. Der Anbau von lokalen Sorten ist eine Selbstverständlichkeit, wie auch faire Bodenbesitzverhältnisse. Der Boden muss mit allen Rechten denjenigen gehören, die ihn bebauen. Damit sind die Kleinbauern angesprochen, die von Konzernen von ihren Gütern vertrieben wurden und als schlecht bezahlte Taglöhner auf diesen Agrarflächen arbeiten müssen. Der Anbau von Nahrungsmitteln für den Eigengebrauch wird verunmöglicht.
Ein erprobter funktionierender Systemwechsel
Die agrarökologische Praktik ist eine nachhaltige Produktionsweise, die die Umwelt und die Böden schont. Da sie viel Handarbeit erfordert, sind besonders die armen Staaten gut geeignet, solche Produktionsweisen einzusetzen, da die Mechanisierung der Landwirtschaft noch weniger fortgeschritten ist, im Gegensatz zu den Industrieländern.
Dass eine agrarökologische Produktionsweise funktioniert, zeigt das Fallbeispiel aus Guinea-Bissau. Unter der Anleitung von swissaid konnte in fünf Pilotfeldern die Produktion von Reis, Gemüse und Getreide beträchtlich gesteigert werden. Zudem erhöhte sich das wirtschaftliche Einkommen von Landwirtinnen signifikant; dies nicht zuletzt durch eine bessere Vernetzung der Produzenten mit möglichen inländischen Abnehmern.
"Eine agrarökologische Produktionsweise ist nicht nur nötig, um die Menschheit zu ernähren, sondern langfristig auch ökonomisch sinnvoll."
Prof. Dr. Mathias Binswanger, FHNW
Fazit
Die Macht der Konzerne muss eingeschränkt werden, die Rechte insbesondere von Kleinbauern in Ländern des Globalen Südens gehören verbessert und nicht zuletzt muss lokales Wissen gestützt und belebt werden. Doch auch reiche Länder stehen in der Pflicht. Die bessere Zusammenarbeit und Kommunikation beispielsweise unserer Bundesämter könnte schon viel bewirken.
Quellen und weitere Informationen
Tagung zum Welternährungstag
cash crops
Freihandel
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