Seit einigen Jahren geht mit der Klimabewegung auch der Kampf um Klimagerechtigkeit einher. Der Anfang dieser internationalen Bewegung reicht zurück bis zur afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 80er-Jahre in den USA. Dort begann der Kampf gegen Umweltrassismus. In der Auseinandersetzung mit den rassistischen Verhältnissen forderten Aktivisten und Aktivistinnen immer lauter die Umwelt- und später auch die Klimagerechtigkeit.
Umwelt und Rassismus
Als Umweltrassismus wird der Sachverhalt beschrieben, nach welchem umweltverschmutzende Anlagen wie beispielsweise Deponien, Müllverbrennungsanlagen oder Kohlekraftwerke unverhältnismässig oft in der Nähe von Gemeinden mit geringerem Einkommen oder hohem Minderheitenanteil errichtet werden.
Einer der ersten, als solcher bezeichneter Fall von Umweltrassismus wurde 1982 in Warren County im US-Bundesstaat North Carolina ausgemacht. Dort wurde eine Mülldeponie zur Entsorgung hochgiftiger polychlorinierter Biphenyle (PCB) -trotz Protesten von hochrangigen Politikerinnen und Kirchenvertretern - in einer vorwiegend afroamerikanischen Gemeinde errichtet. Die Gegenproteste bildeten den Ausgangspunkt einer neuen sozialen Bewegung: Erstmals wurde der Begriff des Umweltrassismus von Benjamin F. Chavis Jr. öffentlich vorgebracht. Er war einer der über 500 Festgenommenen während den Protesten und damaliger Geschäftsführer der United Church of Christ. In zahlreichen Studien wurde seither nachgewiesen, dass in Gemeinden mit preisgünstigen Grundstücken und einem hohen Anteil an People of Color (PoC) häufiger umweltgefährdende Anlagen gebaut werden.
Nova Scotia
Ein weiteres bekanntes Beispiel für Umweltrassismus spielt sich in der ostkanadischen Atlantikprovinz Nova Scotia ab. Auch dort liegen unverhältnismässig viele ökonomisch schwache Kommunen mit ethnischen Minderheiten in der Nähe von Umweltzerstörungen und belasteten Gebieten. Beispielsweise wurde in den 1940er-Jahren in der Stadt Shelburne eine neue Müllhalde errichtet. Bis ins Jahr 2016 wurden dort Wohn- Industrie- und medizinische Abfälle aus dem gesamten östlichen Shelburne County verbrannt. Studien zeigten, dass in den ärmeren Kommunen Krankheiten wie Krebs und Diabetes sowie hohe Sterberaten – auf Grund von kontaminiertem Wasser und schlechter Luftqualität – im Vergleich zu den weissen Nachbaren auf der anderen Seite der Stadt verhältnismässig oft auftraten.
Durch die Fälle in Scotia Nova erhielt der Umweltrassismus zusätzlich Aufmerksamkeit, beispielsweise durch das Buch und die anschliessende Netflix-Dokumentation «There’s something in the water».
Auf der Halbinsel Scotia Nova befinden sich viele First Nations-Gemeinschaften (grün) und afroamerikanische Kommunen (blau) in der Nähe von Mülldeponien (W). Noch eindrucksvoller ersichtlich ist es auf der vergrösserten Karte.
Klima und Gerechtigkeit
Nach der Definition des Umweltrassismus folgte schon bald die umfassendere Forderung nach Umwelt- und Klimagerechtigkeit: Längst auch im internationalen Kontext. Die «Umwelt» definiert sich dabei nicht mehr nur als die schützenswerte wilde Natur, sondern als die gesamte natürliche und gebaute Umgebung von Menschen. Die Begriffe verdeutlichen nicht zuletzt, dass Ökologie nicht allein auf einer naturwissenschaftlichen Ebene zu erforschen und anzugehen ist. An den Forschungen zum Umweltrassismus zeigt sich exemplarisch, dass die gesellschaftliche Verteilung und der Zugang zu Ressourcen stets ökologische Konsequenzen haben – und umgekehrt. So sind beispielsweise pazifische Inselstaaten am stärksten von steigenden Meeresspiegeln betroffen, während sie in der Vergangenheit kaum zum menschengemachten Klimawandel beitrugen.
Quellen und weitere Informationen:
Climate justice: Eine kurze Geschichte der Klimagerechtigkeit
Goethe Institut: Forschung über Umweltrassismus
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