Anlässlich des 45. Lifefair Forums stellten die Veranstalter die generelle Frage zur künftigen Entwicklung des Tourismus: „Wie wird er nachhaltiger?“. Damit wird schon apriori festgestellt, dass er dies bisher offensichtlich nicht war und ist. Angesichts des coronabedingten weltweiten Ausfalls touristischer Aktivitäten während den letzten beiden Jahren und den damit zusammenhängenden Erfahrungen stellt sich die Frage just zum richtigen Zeitpunkt.
Sicher ist es richtig, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen, sind doch die Auswirkungen insbesondere des Massentourismus keineswegs nur positiv. Bestimmt profitiert dadurch der ökonomische Aspekt der drei Nachhaltigkeitsparameter und lässt allerorten die Kassen klingeln. Wie steht es aber mit den sozialen und den ökologischen Komponenten? Inwiefern nehmen soziale Strukturen Schaden, wie stark werden unsere natürlichen Ressourcen zerstört?
Der Tourismus ist einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige und entwickelt sich mangels Regulierungen ungebremst. Mit rund 10% des weltweiten Bruttoinlandproduktes und 10% der Beschäftigten (Schweiz: 3% bzw. 4%) ist der Tourismus kein unbedeutender Wirtschaftsfaktor. In verschiedenen Regionen und Städten hat er in Form des Overtourism gar Ausmasse angenommen, die einerseits nicht mehr tragbar und andererseits zum Klumpenrisiko geworden sind.
Damit einher gehen enorme Energie- und Wasserverbräuche und Lärm ebenso wie die Beeinträchtigung der Biodiversität, Verbrauch natürlicher endlicher Ressourcen und Landschaftszerstörung. Der immense Flugverkehr trägt mit seinen klimaschädlichen Emissionen ein Übriges dazu bei, dass unsere Umwelt massiv belastet wird.
Im sozialen Bereich sind die Beeinträchtigung lokaler Kulturen und deren Kommerzialisierung, niedrige Löhne, prekäre Arbeitsbedingungen und zu geringe Sozialabsicherungen die hauptsächlichen Kritikpunkte.
Im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verlangt die Agenda 2030 explizit einen nachhaltigen Tourismus mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Förderung von lokaler Kultur und lokalen Produkten. Voraussetzung dazu ist der Abschied vom unregulierten Wachstum mit entsprechenden Nebenwirkungen. Dazu müssen einerseits Touristen nachhaltige Konsumentscheidungen treffen, und andererseits müssen die Touristiker ihre Dienstleistungen an Nachhaltigkeits-Standards ausrichten. In der Regel tun sie das aber erst, wenn die Kunden danach verlangen und sie damit Wettbewerbsvorteile sehen.
Dazu sind seitens der Politik sowohl Strategien zur Verringerung des Verbrauchs von Ressourcen wie Land oder Wasser und der Emissionen –insbesondere aus dem Flug- und Schiffsverkehr– dringend notwendig. Auch ein menschenrechts-basierter Ansatz im Tourismus ist unabdingbar.
Die Unternehmen sind gefordert, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten über die gesamte touristische Wertschöpfungskette –von der Anreise bis zu den Aktivitäten vor Ort– wahrzunehmen. Der Einkauf von Produkten vor Ort, die Anstellung einheimischer Mitarbeitenden zu fairen Konditionen ermöglichen, die lokalen Märkte zu integrieren und die Wertschöpfung anzukurbeln.
Schliesslich sind auch die Reisenden gefragt, selbst Verantwortung zu übernehmen, indem sie die Würde ihrer Gastgeber achten und deren Kultur respektieren, achtsam mit den knappen lokalen Ressourcen umgehen und die lokale Wirtschaft unterstützen.
Der Tourismus braucht eine Politik-, Unternehmens- und Konsumwende. Seitens der Politik erläuterte der Vertreter des Staatssekretariats für Wirtschaft in seinem Eintretensreferat die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes für den Tourismus mit deren Schwerpunkten und Zielsetzungen. Systemimmanent steht diese unter dem Fokus der Wirtschaft und verharrt im theoretischen Bereich.
Ebenso bewegte sich die anschliessende Diskussion im Panel mehrheitlich auf beträchtlicher Flughöhe. Dabei überboten sich seitens der Unternehmer die drei Gastrovertreter mit anscheinend seit Jahren vorhandenen Strategien und der Behauptung, der Schweizer Tourismus sei schon längstens nachhaltig aufgestellt! Solche Positionen verkennen die wahren Bedürfnisse und Erfordernisse einer nachhaltigen Entwicklung und den entsprechenden Handlungsbedarf.
Sicher gibt es einzelne Gastrobetriebe, die den Kriterien der Nachhaltigkeit nachleben und beispielsweise ihr Angebot auf regionale und saisonale Produkte ausrichten, faire Löhne zahlen, ihren Betrieb energetisch und materiell den Erfordernissen und dem Stand der Technik anpassen, sich sogar zertifizieren lassen, aber ein schweizweiter Überblick mit entsprechender Transparenz besteht angesichts eines Wirrwarrs von sog. Labeln keineswegs.
Der Handlungsbedarf ist ausgewiesen, und die Gastrobranche müsste diesbezüglich längst aktiv geworden sein. Allerdings verfügte auch der Bund und einzelne Gemeinden über ein diesbezügliches Druckmittel, werden doch bedeutende Werbemittel zur Anlockung insbesondere ausländischer Gäste aus unseren Steuergeldern bestritten! Diese kommen meist in Gruppen und verweilen auf ihren 10-Tages-Eurotripps allenfalls ein bis zwei Nächte in der Schweiz. Auch der als Massentourismus konzipierte Konferenz- und Städtetourismus ist weit von Nachhaltigkeit entfernt.
Weshalb wird Tourismus in einer freien Marktwirtschaft überhaupt staatlich gefördert? Dies müsste eigentlich ernsthaft hinterfragt werden.
Nachhaltig ausgerichteter Tourismus dürfte derzeit doch nur der Sanfte, bzw. qualitative Tourismus sein. Dieser besteht aus Einzelpersonen, Familien, kleinen Gruppen, die das lokale Angebot an kulturellen, historischen und naturnahen Attraktionen und Freizeitmöglichkeiten stressfrei nutzen, ohne dominierend in Erscheinung zu treten.
Derartige Impulse und Ideen für fairen Tourismus und insbesondere Möglichkeiten, die dafür das Netzwerk der Schweizer Pärke bereitstellt, hatten deren beide Vertreter keine Möglichkeit, angemessen zur Darstellung zu bringen. Lieber diskutierte man über Konzepte, die teilweise existieren, teils erst entstehen sollen, aber bisher immer in Schubladen verschwanden.
Kommentare (0) anzeigenausblenden