Zwiespältige Erfolge bei der Reduktion von Tierversuchen
Die Gesamtzahl der Tierversuche lag 2022 im unteren Bereich. Allerdings werden die Versuchstiere im Schnitt einer immer grösseren Belastung ausgesetzt.
In der Schweiz wird fleissig geforscht. 2022 lag die Zahl der Forschungsprojekte mit Tieren bei 2334, wofür laut Bundesrat 585 991 Tiere eingesetzt wurden. Gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BVL) liegt diese Anzahl Tiere im langjährigen Schnitt eher tiefer. Doch auch wenn die Gesamtzahl im unteren Bereich liegt, so stieg die Anzahl der Versuche im belastendsten Schweregrad 3. Tierversuche in diesem Schweregrad werden meist durchgeführt, um Krankheiten des Menschen zu untersuchen.
Weiter wird berichtet, dass weniger Mäuse verwendet wurden, dafür umso mehr Fische. 2022 wurden mehr als doppelt so viele Fische als Versuchstiere verwendet als noch im Vorjahr. Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass man fleissig in den Bereichen der Grundlagenforschung, der Ökologie sowie der Toxikologie geforscht hat.
Schweregrade in Tierversuchen
In der Schweiz werden Tierversuche in vier Schweregrade unterteilt, wobei eine Belastung von 0 bis 3 zugeordnet wird.
- Schweregrad 0: Dem Tier wird keinerlei Schmerzen oder Angst zugefügt. Es handelt sich beispielsweise um Verhaltensbeobachtungen handeln.
- Schweregrad 1: Dem Tier werden leichte kurzfristige Schmerzen oder leichte Beeinträchtigungen seines Allgemeinbefindens zugefügt. Dies ist z.B. bei einer wiederholten Blutabnahme innert 24 Stunden der Fall.
- Schweregrad 2: Das Tier wird einer leichten mittel- bis langfristige Belastung ausgesetzt. Damit ist z.B. ein chirurgischer Eingriff unter Vollnarkose gemeint. Das Tier könnte auch nach dem Versuch noch Schmerzen oder Beeinträchtigungen verspüren.
- Schweregrad 3: Dem Tier werden starke Schmerzen, Leiden und schwere Angst zugefügt. Oder der Versuch weist eine mittelgradige Belastung auf, welche jedoch mittel- bis langfristig andauert. Ein Beispiel eines solchen Versuches ist die Transplantation eines bösartigen Tumors.
Um einen Tierversuch in Gang zu bringen, müssen die Forschenden zuerst angeben, weshalb ein solcher notwendig ist. Sie müssen den Nutzen des Versuchs sowie das Mass der Belastung ausweisen und angeben, wie die Versuchstiere gehalten werden. Dies wird dann von der kantonalen Tierversuchskommission überprüft und schliesslich bewilligt oder abgelehnt. Kommt es zu einer Ablehnung, so können die Forschenden beanspruchen, dass es nochmals überprüft werden soll.
Eine Tierversuchsbewilligung ist auf maximal drei Jahre beschränkt. Zudem soll seit Mai 2022 das Forschungsprogramm „Advancing 3R – Tiere, Forschung und Gesellschaft“ dafür sorgen, dass Tierversuche ersetzt, verringert und verbessert werden. Ein Budget von 20 Millionen Franken und eine Zeitspanne von fünf Jahren stehen dem Programm zur Verfügung.
Ein Versuchstier als Haustier
Nebst dem «Advancing 3R» (replace, reduce, refine), kann man den Tieren auch auf eine andere Art helfen. Seit 2018 besteht ein Fördervertrag zwischen dem Schweizer Tierschutz und der Universität Zürich. Dieser stellt die Basis für das Rehoming-Projekt. Seither können Labortiere – meist Kleinnager – an private Tierhalterinnen und Tierhalter vermittelt werden. Leider können nicht alle Tiere vermittelt werden, denn mittel bis schwer belastete sowie genetisch veränderte Tiere dürfen dem Projekt nicht zugeführt werden. Ausserdem scheint der Aufwand gross, sodass für viele Tiere erst gar nicht nach einem neuen Zuhause gesucht wird. Demzufolge bleiben nur wenige Tiere für die Vermittlung übrig.Das Projekt hat bis jetzt trotzdem sehr gut funktioniert. Deshalb können mittlerweile sogar andere Tierarten wie Hunde und Katzen in das Rehoming-Projekt aufgenommen werden.
Tierversuche; quo vadis?
Wir stehen damit vor einer guten und einer schlechten Nachricht. Die Kritik an den Tierversuchen wird ernst genommen, und es werden auch zunehmend Fortschritte in ihrer Eindämmung erzielt. Auch der Wille, zumindest einzelnen Tieren nach ihrem Dienst an der Forschung ein würdiges Leben zu ermöglichen, weist in die richtige Richtung.
Dass hingegen ausgerechnet die Versuche im höchsten Schweregrad steigen, gegen die sich die schwersten Einwände der Bevölkerung richten, lässt es noch nicht zu, sich angesichts dieser Erfolge beruhigt zurückzulehnen. Zu hoffen ist, dass die Prinzipien des Ersatzes, der Reduktion und der Verbesserung von Tierversuchen schnell auch in diesem Segment ihres Einsatzes nachweisbare Folgen zeigen. So lange gilt es, auf die unerfreuliche Praxis weiterhin ein wachsames Auge zu halten.
BVL: Anstieg der Tierversuche im Jahr 2022
Tierreport: Neue Chance für Labortiere
NFP 79: Advancing 3R
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