«Weshalb spielen Tiere?»

Mit Futter suchen, Partner finden und schlafen haben Wildtiere eigentlich genug auf ihrer Agenda. Trotzdem verwenden gerade Jungtiere einen Grossteil ihrer Zeit aufs Spielen. Eine nur scheinbar sinnlose Beschäftigung.

«Weshalb spielen Tiere?»
(825545, Pixabay)

Spiel – das ist ein Begriff, der uns Menschen bestens bekannt ist. Wir erkennen beispielsweise intuitiv, ob Kinder am Spielen oder am Streiten sind, und wir wissen auch, dass ein Verlierer bei «Monopoly» nicht wirklich Bankrott ist.

Auch in der Tierwelt ist spielerisches Verhalten bekannt — ein gutes Beispiel sind Hunde, die ihr Leben lang gerne spielen. Das Spielen scheint aber weit weniger lebensnotwendig zu sein als Nahrung oder Schlaf. Eigentlich scheint gar keine Zeit und Energie übrig zu bleiben für alles «Nichtfunktionale», also auf den ersten Blick Sinnlose. Denn genau das ist das Spielen gemäss der gängigen Definition: Es ist eine spontan eintretende Handlung, die keine unmittelbar überlebenswichtige Funktion erfüllt. Gespielt wird dann auch nur, wenn ein Lebewesen in einer stressfreien Umgebung ist und alle anderen ‚wichtigeren’ Bedürfnisse abgedeckt sind. Die Evolution hat dennoch etlichen Tieren die Fähigkeit verliehen, sich zu amüsieren: Es muss also doch einige Vorteile mit sich bringen.

Eben doch kein sinnloser Spass

Ein Vorteil ist, dass Tiere beim Spielen für die Zukunft trainieren und sich unterschiedliche Fähigkeiten aneignen. Wer genug mit seinen Artgenossen spielt, hat nicht nur soziale Vorteile, sondern auch motorische. Eine Funktion des Spielens ist also das Trainieren des Körpers, die Stärkung von Sehnen, Muskeln und Gelenken und das Einstudieren von Bewegungsabläufen. So lässt sich etwa das Spielverhalten von jungen Steinböcken erklären, die ganz ohne Furcht über steile Felslandschaften hüpfen – so dass ab und zu sogar einer mitten im Spiel zu Tode stürzt. Das Risiko zahlt sich insgesamt dennoch aus, weil die Tiere dadurch später agil genug sind, um Raubtieren auf diesem herausfordernden Terrain zu entkommen. Gleichzeitig lernen sie beim Spielen ihr Umfeld kennen und können künftig besser absehen, wenn sich darin etwas verändert.

Auch für das soziale Miteinander ist das Spielen wichtig: Pavian-Jungs raufen sich gern mit ihresgleichen und trainieren so für den Kampf um sozialen Status in der Gruppe. Pavian-Mädchen hingegen spielen lieber mit dem Nachwuchs hochrangiger Weibchen. Deren Kinder wachsen zum idealen — weil ebenfalls hochrangigen — Verbündeten heran. Dadurch erlernen Jungtiere wichtige Verhaltensweisen und -regeln, die ihnen im Erwachsenenalter zu Gute kommen. Ein gewisser Humor — der in der Tierwelt als Necken zu beobachten ist — ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Sozialisierung, denn dadurch lernt ein Tier, wie sich das gegenüber fühlt. Das kann sogar Spezies-übergreifend passieren: Paviane sind dabei beobachtet worden, wie sie Kühe ärgerten, indem sie sie an ihren Schwänzen zogen — aber nur, wenn diese hinter einem Zaun standen und nicht angreifen konnten.

Puppen für Mädchen, Autos für Buben

Beim Spielen werden häufig auch Gegenstände als Spielzeuge miteinbezogen, und dort treten sehr individuelle Vorlieben zutage. Zumindest bei Rhesusaffen scheinen diese Unterschiede nicht nur vom Geschmack des Einzelnen, sondern auch vom Geschlecht bestimmt zu werden. Die Jungs bevorzugen Spielzeugautos, die Mädchen Puppen. Die Japanmakaken hingegen spielen gerne mit Steinen. Mehr als 40 verschiedene Spiel-Varianten haben Forscher beobachtet. Bei diesen als Schnee-Affen bekannten Primaten spielen auch die Erwachsenen bis ins hohe Alter.
Geradezu wahllos spielen Keas aller Altersklassen. Die grünen Bergpapageien haben sogar einen eigenen Ruf entwickelt), wenn einer von ihnen besonders interessante Gegenstände sichtet. Dann versammeln sich die Vögel zum gemeinsamen Spiel.

Auch Kaltblüter wollen spielen

Lange dachte man, dass nur warmblütige Tiere mit ausgesuchter Intelligenz — also Säugetiere und Vögel — zum Spielen in der Lage sind. Doch in den vergangenen Jahren widmeten sich immer mehr Forscher verschiedener Fachdisziplinen dem Spielverhalten in der Tierwelt. Sehr schnell wurde klar, dass auch Fische, Reptilien und Weichtiere — hier vorerst aber nur Oktopusse — spielen.
So wirken Komodowarane beim Spiel mit alten Schuhen oder Bällen verspielt wie junge Hunde. Afrikanische Weichschildkröten scheinen Spass daran zu haben, Flaschen und anderes Treibgut über die Wasseroberfläche zu schubsen und mit Schläuchen Tauziehen zu spielen. Kubakrokodile im Toledo Zoo in Ohio spielten mit Wasserbällen. Auch in der Wildnis spielen Krokodile anscheinend mit bunten Blumen, die sie zwischen ihren Zähnen herumtragen, oder amüsieren sich miteinander – beispielsweise, indem sie ihre kleineren Artgenossen huckepack nehmen.

Überall im Tierreich hat sich das Spielen als gewinnbringend sowohl für das Individuum als auch für die Gruppe erwiesen. Beim Spielen ertüchtigt sich das einzelne Tier, kann aber auch das soziale Leben in der Familie, Gruppe oder Herde erproben und Freundschaften schliessen. Spielen bedeutet Lernen fürs Leben.

Video: https://youtu.be/057__7XtHBM?feature=shared