Pedosphäre – Boden als Schlüssel zur Vergangenheit

Fragen über die vergangene Welt? Der Boden weiss viele Antworten.

Pedosphäre – Boden als Schlüssel zur Vergangenheit
Der Boden hütet viele Geheimnisse aus der Vergangenheit (Boris Hamer, Pexels)

Dank seiner Archivierungsfunktion enthält der Boden viele Informationen über vergangene Prozesse sowie Umweltbedingungen. Ausserdem verrät er uns, wie die Menschen früher gelebt haben. Boden ist daher eine wichtige und gute Quelle für Wissen aus der Vergangenheit.

Archäologie

Der Boden mit seiner konservierenden Funktion erhält Überreste von längst entschwundenen Lebewesen sowie von unseren Vorfahren. Immer wieder werden Knochen, Werkzeuge oder sogar ganze Dörfer ausgegraben. Dabei wurde in der Vergangenheit das grösste Interesse dem Fundstück selbst gewidmet, wobei das Archiv – der Boden – keine grosse Beachtung fand. Heute soll aber auch der Boden an den Fundstellen auf unterschiedliche Weise untersucht und teilweise sogar archiviert werden: Mit Röntgenfluoreszenz etwa kann die chemische Elementzusammensetzung einzelner Bodenproben bestimmt werden. 

Wie der Boden den Archäologen hilft

Es gibt zahlreiche Beispiele für archäologisch relevante Informationen, die aus Bodenproben gewonnen werden:

Ungepflasterte Wege: Forschenden gelang es, Pfade zu finden, die über einen längeren Zeitraum von Menschen und Tieren genutzt wurden. Über die Zeit sammelten sich dort verschiedene organische Materialien oder auch Kot an, wodurch sich u.a. die Phosphorwerte im Boden erhöhten. Somit können aus Bodenbohrungen Thesen formuliert werden; bei hohen Phosphorwerten in bestimmten Schichten könnte einmal ein Weg vorhanden gewesen sein. Diese Rekonstruktion ermöglicht es den Forschenden, ein breiteres Verständnis über die räumliche Organisation von Siedlungen zu erhalten. Sie geben den Städten und Dörfern Struktur und bieten Auskunft über die wirtschaftlichen und sozialen Netzwerke.

DNA von verschiedenen Säugetieren: Neben Wegen und Bauten haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie aus Höhlensedimenten uralte DNA von verschiedenen Säugetieren extrahiert. Darunter fanden die Forschenden tatsächlich auch die DNA von Neandertalern. Solche Untersuchungen finden zunehmend weiter Verbreitung.

Damit ist klar, dass das Potenzial von Bodenproben für die Erforschung unserer Geschichte nicht zu unterschätzen ist. Deshalb sollte die Entwicklung von wissenschaftlichen Analysen an Bodenproben weiter gefördert und ausgebaut werden.

Das Archiv Boden

Verschiedenste Bodeneigenschaften beeinflussen die Konservierung von vergrabenen Materialien:

  • Die Hydrologie (z.B. Entwässerung) beeinflusst den Gehalt an gelöstem Sauerstoff und das Auflösungsvermögen von Knochen, Zähnen und Schalen sowie die Korrosion von Metallen und die biologische Oxidation von organischen Stoffen.
  • Die Stärke einer Säure resp. Base beeinflusst die Abbaugeschwindigkeit der Materialien. Ihre örtliche Konzentration hingegen beeinflusst die sekundäre Mineralbildung von Knochen und die Korrosion von Glas. Zudem kann es zur Bildung von Schutzschichten auf Metallen kommen.
  • Der Gehalt an gelöster organischer Substanz steuert den Schutz von organischem Material.
  • Die Anfälligkeit für Erosion beeinflusst die Wahrscheinlichkeit einer Oberflächenexposition. Starke Erosion zerstört möglicherweise stratigraphische Beweise. Solche Beweise aus der Bodenschichtung werden durch den andauernden Eintrag von bodenbildenden Stoffen und das Fehlen von Feuchtigkeit und Erosion begünstigt.
  • Die Steifigkeit beeinflusst den physikalischen Schutz spröder Objekte vor Bruch.

Verschiedene Bodentypen haben sehr unterschiedliche physikalische, chemische und hydrologische Eigenschaften. Somit ist auch ihr Potenzial für archäologische Erkaltungen ganz verschieden:

Gleyböden: Da ihre pH-Werte sehr unterschiedlich sein können, bestimmt der jeweilige Wert, welche Arten von archäologischen Materialien konserviert werden: Bei niedrigem pH-Wert und damit auch niedriger Basensättigung werden Metalle und organische Stoffe schneller abgebaut. Ausserdem erfolgt der Abbau von Organischen Stoffen bei Gleyböden mit organischen Horizonten langsamer. Knochen, Zähne und Muscheln überleben am besten in kalkhaltigen Gleyböden.

Podozols: Dieser meist saure Boden bildet sich unter Wäldern, Mooren und Heideflächen aus sandigem, verwittertem Sauergestein und anderen gröberen Ausgansmaterialen. Seine vorwiegend feuchten, belüfteten und sauren Bedingungen zersetzen Knochen, Muscheln, Zähne, Glas, Metalle und Gips sowie organische Materialien schnell. Sind diese Bedingungen weniger stark ausgeprägt, wird organisches und metallisches Material besser konserviert.

Calcisol: Der trockene Calcisol-Boden mit seinem sehr hohen Kalkgehalt ist alkalisch und weist eine hohe Basensättigung auf. Die trockenen alkalischen Bodenverhältnisse in Calcisolen erhalten Knochen, Zähne und Muscheln, aber auch Metalle und Gips. Auch eine gewisse Konservierung von organischen Materialien ist in den trockensten der Calcisole möglich. Ausserdem wird die Stabilität der Stratigraphie als gut bewertet – insofern keine Erosion auftritt.

Boden als Informant für Umweltinformationen

Der Boden speichert nicht nur archäologisches Material, er ist auch eine Quelle für Umweltdaten. Mit der Zeit entdeckten Wissenschaftlerinnen, dass sich aus Fossilien und anderen archäologischen Funden sowie Bodenproben weitaus mehr ableiten lässt als vordem angenommen. Die Rede ist vom Erbgut dieser Funde und Proben: Der sogenannte Umwelt-DNA (environmental DNA, eDNA). Mit diesem Erbgut versucht man existenzielle und evolutionäre Fragen zu beantworten, wie etwa; wie die letzte Eiszeit Ökosysteme verändert hat und welche Arten sich möglicherweise über den Laufe der Zeit begegnet sind.
Gesucht wird Umwelt-DNA im Boden, Wasser und sogar in der Luft. Mikrobiologen isolieren dafür mikrobielles Erbgut, um die verschiedenen Gene und Spezies in der Probe ausfündig zu machen.

Durch die rasante Entwicklung der Umwelt-DNA-Forschung eröffnen sich viele neue Möglichkeiten. Die eDNA liefert die Möglichkeit, ein fast fotografisches Bild von Böden zu erstellen. Dadurch kann auf die Gesundheit eines Bodens geschlossen werden.
Anfänglich postulierten Forschende noch vorsichtig, dass solche DNA über Tausende von Jahren erhalten bleiben kann. Nicht lange Zeit später konnten die Forschenden mit Hilfe der eDNA schon ganze antike Ökosysteme rekonstruieren. Die Sensation gelang dann mit der Rekonstruktion eines verschwundenen Ökosystems im Norden Grönlands anhand über zwei Millionen Jahre alter DNA-Spuren.