Buch «Mehr Wildnis wagen»

Zur Wildnis besprachen wir dieses Jahr schon ein paar Bücher. Sie ist offensichtlich gerade ein essentielles Thema. Und zwar eines, das auch tatsächlich viel Diskussionsstoff bereithält: Nur schon über die Frage, was man mit „Wildnis“ denn genau meint und meinen sollte, wird schnell einmal heiss debattiert, wo immer ernsthaft die Rede darauf kommt. Davor kann sich auch der Naturschützer und Ökologe Michael Altmoos nicht retten – umso weniger, da er den Begriff recht weit fasst. Wildnis ist eben gerade kein Garten, und die beiden Konzepte zukunftsfähig zu vermählen, bedarf der Verhandlung. Einig ist er sich dann allerdings mit allen andern, dass wir mehr Wildnis brauchen. In tatkräftiger Manier verschafft er uns Kenntnisse, Instruktion und Mut, mehr von ihr zu wagen.

Dass sich Michael Altmoos um die Wildnis – ob als Begriff, als Lernfeld oder als praktischem Projekt – schon ein Leben lang seine Gedanken macht, wird rasch offensichtlich. Umso beeindruckender ist es, wie er es versteht, das vielschichtige Thema in ein doch recht schmales Buch zu packen. Die ökologische Dynamik der wilden Natur verhandelt er da gleich neben ihrer Bedeutung für Klimaschutz, Bodenregeneration, Biodiversität oder Gesundheit; die Natur des Menschen ebenso wie die Renaturierung der Landschaften. Bei all dieser reichhaltigen Wissensvermittlung geht es ihm gleichwohl – und zuvorderst – darum, vom Sinnieren zum Tun vorzudringen. An Beispielen von Naturparks, Erlebnisgebieten und urbanen Wildnisflecken macht er die Möglichkeiten zur Förderung wilder Naturflächen fassbar, um dann Strategie und Praxis ihrer Umsetzung gleich anhand derselben Handlungsebenen differenziert darzulegen. Als Initiant und Betreiber eines Natur-Erlebnisparks ist ihm dabei die eigene Erfahrung nah zur Hand, was sich nicht zuletzt in seinem erfrischend persönlichen, heiteren Erzählstil niederschlägt.

Doch warum „Wildnis wagen“? Wo ist das Wagnis an einer Wildnis, die sich doch in der Werbung und auf Instagram längst zum Sehnsuchtsort geadelt hat? Hier teilt der Autor die Erfahrung so mancher Naturschützer, dass die wilde Natur, kommt sie denn nur nah genug, doch wieder nur als Unordnung, Belästigung oder Gefahr erlebt wird. Und so zieht sich durch sein geschmacksvoll bebildertes Buch noch zusätzlich die freundliche Inspiration, sie in ihrer eigenen Ordnung zu erkennen und sie nicht nur im majestätischen Panorama, sondern auch im unscheinbaren Pilzbestand wertzuschätzen. Im gleichen Sinne verteidigt er zu ihrer Förderung eine Philosophie des Sowohl-als-auch, die der grossen wie der kleinen Wildnis gleichermassen Rechnung trägt. Michael Altmoos' Buch ist auf kleinem Raum sehr vieles: Breites Informationswerk, Denkschrift, Plädoyer und Ratgeber. Und damit ist es die erste Wahl für alle, die sich zur Rolle der Wildnis für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung mal ebenso vergnüglich wie knackig einlesen wollen.