Buch «Meine Bank wäscht grüner»
Immer mehr Leute wollen ihr Geld umwelt- und klimafreundlich anlegen. Immer mehr Finanzinstitute versprechen genau das. Was man ihnen davon glauben kann - und welche Veränderungen hier grundsätzlich anzustreben wären - setzt uns Bernd Villhauer in seinem Buch differenziert auseinander.
Es ist alles noch etwas komplizierter, als es uns auch auf den zweiten Blick noch scheinen mag. Der amerikanische Umweltwissenschaftler Vaclav Smil – einer der prägendsten Köpfe zu Energiefragen unserer Zeit – mag uns vor dieser Komplexität nicht verschonen: Schon gar nicht mittels wohlfeiler Prophezeiungen der nahenden Apokalypse oder – umgekehrt – der kommenden technologischen Wunder. Um uns die komplizierte Welt und deren absehbare Zukünfte fassbar und überschaubar zu machen, beruft er sich auf sein nüchternes naturwissenschaftliches Handwerkzeug: Auf Zahlen und Daten und die unvoreingenommenen Einsichten, die uns diese über die Welt, in der wir leben, erlauben. Im nichtsdestotrotz eingängig zu lesenden Fliesstext entzaubert er so manche Zukunftshoffnung – und leitet sie nach den Horizonten um, die wir tatsächlich erreichen können.
Im Wesentlichen exerziert Vaclav Smil uns vor, weshalb eine totale Dekarbonisierung unserer Gesellschaft in absehbarer Zeit kaum gelingen wird. An vier der alltäglichsten, aber fundamentalsten materiellen Pfeilern der Menschenwelt – Zement, Stahl, Ammoniak und Kunststoff – macht er uns den Energieeinsatz deutlich, der zur Bereitstellung der Grundbausteine unserer Zivilisation nötig ist. Ernährung, Infrastruktur, Medizin, Handel und Mobilität: Sie alle gründen auf fossilen Ressourcen, die nicht so einfach, schnell und beliebig ersetzbar sind. Er ruft in Erinnerung, dass sich unterhalb des Stromverbrauchs unserer Smartphones breite Pyramiden des Energie- und Ressourcenbedarfs ausfächern, derer wir in ihrer Gesamtheit und Dimension kaum mehr gewahr werden. Da er dafür ausserhalb der uns intuitiv fassbaren, linearen Zahlenverhältnisse hantiert, hilft er auch gleich, uns die unüberschaubaren, neuen Grössenordnungen anschaulich zu machen. Nicht zuletzt zeigt er schliesslich auf, wie selbst potentiell revolutionäre Innovationen noch dem Druck zur Wirtschaftlichkeit unterliegen und – in ihrer Umsetzung – von der Trägheit der sozialen Systeme gehemmt werden.
Vom Hochmut, aller Welt zu erklären, wie die Welt wirklich funktioniert, kann man Vaclav Smil nicht ganz freisprechen. In seiner vornehmlichen Hinwendung zu Quantitäten mag ihm auch gewiss der eine oder andere mögliche, qualitative Hoffnungsgrund entgehen. Doch nicht nur ist er sich dessen bewusst, er ordnet die diesbezüglichen Chancen und Risiken gewissenhaft in seine Überlegungen ein. Ihm geht es derweil darum, uns anhand der belegbaren Fakten auf die Herausforderungen der näheren Zukunft einzustimmen: Möglichst objektiv, frei von illusorischen Erwartungen und ideologischen Verzerrungen. Dem zwischenzeitlichen Eindruck, hier vor unüberwindlichen Hürden zu stehen, arbeitet er dann stets mit sachorientierten Lösungsentwürfen entgegen. Das macht sein Buch noch zu keiner leichten, zuversichtlichen Lektüre. Es macht sie jedoch zur notwendigen und ausserordentlich gewinnbringenden für alle, die an der Nachhaltigkeitsorientierung und Dekarbonisierung unserer komplizierten Welt ernsthaft arbeiten.
Autor | Bernd Villhauer |
Verlag | S. Hirzel |
Umfang | 162 Seiten |
ISBN | 978-3-7776-3339-8 |
Preis | Fr. 34.80 (UVP) |
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