Ökosystem-Ingenieure als Schlüsselarten: Termiten, Gnus und Elefanten

Die tierischen Ingenieure der Afrikanischen Savanne sind unglaublich vielseitig und wertvoll: Sie bieten Nahrung und Schutz, finden und speichern Wasser, kultivieren die Vegetation und erschliessen Ressourcen für grosse und kleine Bewohner ihres Ökosystems.

Ökosystem-Ingenieure als Schlüsselarten: Termiten, Gnus und Elefanten
Elefanten sind bedeutende Ökosystem-Ingenieure mit Einfluss auf grosse und kleine Arten. (laurentmarx, Pixabay)

Wie das häufig bei Insekten der Fall ist, stossen Termiten nicht unbedingt auf viel Gegenliebe – zu Unrecht. Auch wenn ein Termitenhügel von aussen etwas öde wirken mag und sich dezent in die Landschaft einfügt, sind die darin lebenden, bis zu 2cm grossen Tierchen unglaublich faszinierend.
Fast 3000 Termitenarten sind bekannt. Sie fühlen sich vor allem in warmen Regionen wie den Tropenwäldern und Savannen wohl. Ein einziger Termitenstaat kann aus mehreren Millionen Individuen bestehen, darunter einem Königspaar, vielen verteidigungsbereiten Soldaten und fleissig umherwuselnden Arbeiterinnen und Arbeitern.

Baumeister und Klimatechniker

Termiten graben diverse Tunnels, konstruieren Luftschächte und dämmende Isolationsschichten – und dies alles nur mithilfe der Erde und etwas Speichel. Was viele Architekten nun erst zu entdecken vermögen, haben Termiten schon lange scheinbar mühelos geschafft: Die Strukturen eines Termitenhügels bieten ein ausgeklügeltes Durchlüftungssystem mit klimakontrollierten Mikrolebensräumen. Damit schützen sich die Insekten vor starken Schwankungen der Umgebungstemperatur. Termitenhügel können im Laufe von Jahren oder gar Jahrhunderten über viele Generationen zu mehreren Metern hohen Gebilden heranwachsen. Doch dies ist nur die Spitze des Erdbergs. Unterirdisch erreicht ein solcher Bau bis zu 30 Meter im Durchmesser und kann mittels Gängen mehrere Termitenstaaten miteinander verbinden.

Termitenhügel ziehen Leben an

Geht es um ihre Nahrung, bevorzugen Termiten Blätter, Humus und Holz. Mit dem Verarbeiten solch abgestorbener Biomasse stellen sie die Nährstoffe wieder der Umgebung zur Verfügung. Sie können nun von anderen Organismen aufgenommen werden und der ökologische Kreislauf beginnt von neuem. Besonders an trockenen Orten mit geringer Bodenfruchtbarkeit können Termiten massgeblich zum Aufbau von gesunden, nährstoffreichen Böden beitragen und so auch das Pflanzenwachstum fördern. Mithilfe von Satellitenaufnahmen lässt sich die Bildung von grünen Oasen rund um Termitenhügel sehr gut erkennen. Ausserdem haben Studien gezeigt, dass sich Tierpopulationen generell vermehrt in der Nähe von Termitenhügeln aufhalten und ihre Anzahl mit grösseren Distanzen allmählich abnimmt.
Beuteltiere und Reptilien wie Schlangen und Geckos suchen mitunter in Termitenhügeln Zuflucht. Gerade als Brutstätten für Reptilieneier, beispielsweise für Warane südlich der Sahara, scheinen Termitenhügel optimale Bedingungen zu bieten. Gleichzeitig dient als Nahrungsquelle, denn Termiten sind beliebte Fett- und Proteinquellen für Erdwölfe oder auch Schimpansen.
Die aussergewöhnliche Bauart und die vielen internen Tunnels erleichtern Wasser das Eindringen in den Boden und die anschliessende Speicherung der Feuchtigkeit. Es ist bekannt, dass Gebiete mit Termitenhügeln Trockenzeiten deutlich besser standhalten können als solche ohne. Auf Borneo überlebte der Wald vor sieben Jahren während einer der schlimmsten aufgezeichneten Dürreperioden wohl hauptsächlich dank der Termiten. Es wird sogar angenommen, dass die Vielkönner Landschaften widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen und die Ausbreitung von Wüsten verlangsamen könnten.  

Termiten bei der Arbeit (RoyBuri, Pixabay)

Die Termiten kreieren also ein vielseitiges Ökosystem. Mit der wertvollen Nährstoffzufuhr und erhöhten Wasserspeicherfähigkeit bieten Termitenhügel einen idealen Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten und verbessern gleichzeitig die Gesamtproduktivität eines Ökosystems. Während Termiten ortsgebunden sind und daher einen relativ begrenzten Einflussbereich haben, wirken andere Ökosystem-Ingenieure der Afrikanischen Savanne dank ihrer schieren Anzahl oder Grösse auf riesige Gebiete.

Weltenwanderer

Das Streifengnu ist eine der grössten Antilopenarten Afrikas. Jedes Jahr zwischen Juli und Oktober findet eine der weltweit grössten Migrationen quer durch die Serengeti statt. Eine Population von etwa 1.5 Millionen Gnus macht sich gemeinsam mit über 700'000 anderen Weidetieren auf die lange, risikoreiche Wanderung und folgt dabei den saisonalen Regenfällen. Sobald eine Gegend nicht mehr genügend Ressourcen bietet, zieht die Herde weiter. Doch nicht alle schaffen es. Insgesamt überleben geschätzte 250'000 Gnus den Marsch nicht, sei es, weil sie Raubtieren zum Opfer fallen, weil sie verhungern, verdursten oder ganz einfach von den Strapazen erschöpft sind. Sie bieten eine lebensnotwendige Nahrungsquelle für Raubtiere wie Löwen, Geparden, Leoparden und Hyänen. Müssen sie Flüsse überqueren, warten in den Fluten auch noch Krokodile auf ihre Mahlzeit.

Grascoiffeur

Gnus haben aber noch andere wichtige Funktionen in ihrem Ökosystem, ausser nur als Beute zu dienen. Sie können Landschaften grossflächig verändern. Eine einzige Antilope hat kaum einen Einfluss. Doch dank ihrer grossen Anzahl fressen Gnus Unmengen an Gras, sind quasi professionelle Rasenmäher. Da das Vegetationswachstum so in Schach gehalten wird, kommt es zu weniger Waldbränden, die grosse Teile des Ökosystems zerstören können. Mitte des 20. Jahrhunderts war die Streifengnu-Population auf gerade einmal 300'000 Individuen geschrumpft, weil sie sich mit Viren von Nutztieren infiziert hatten. Dies hatte eine katastrophale Auswirkung auf die Graslandschaft. Waldbrände zerstörten das Ökosystem zu einem Grossteil. Netto wurde mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt, als gespeichert wurde. Dies machte die Serengeti zu einem wesentlichen Treibhausgasproduzenten.

Gnus soweit das Auge reicht: Masai Mara Naturschutzgebiet, Serengeti (Rohan Reddy, Unsplash)

Aufforstung der Wälder

Mit der Eindämmung der Krankheit und der Erhöhung der Gnupopulation auf ihr heutiges, stabiles Niveau wurde die Landschaft wieder zu einem natürlichen CO2-Speicher und unterstützt die Region dabei, wichtige Ökosystemleistungen weiterhin erbringen zu können. Einen etwas überraschenden Effekt haben die Gnus auf die Baumbedeckung der Savanne. Wenn nur noch wenig Gras vorzufinden ist, entstehen kaum Brände. Dies führt zu vermehrtem Baumwachstum, was ein ganz eigenes Ökosystem erzeugt und ein Zuhause für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten bietet. So gilt die Wiederansiedlung der Gnus als eine der erfolgreichsten Aktionen zur Förderung der Artenvielfalt in der Geschichte.

Nicht nur kürzen die Gnus den Rasen der Savanne, sie düngen die Gräser auch grossflächig mit ihren Exkrementen, sodass sie im nächsten Jahr wieder spriessen – rechtzeitig zum Zeitpunkt der nächsten grossen Migration.

Der Elefant, der Brunnenbauer

Einer der bekanntesten Ökosystem-Ingenieure ist der Elefant. Auch er prägt seinen ausgedehnten Lebensraum auf dynamische Weise. Besonders während der Trockenzeit wird das Wasser unter der sengenden Hitze Afrikas oft knapp. Ihre beeindruckende Kraft und Geschicklichkeit ermöglicht es den Elefanten, mit ihren Füssen, dem hochfunktionellen Rüssel und gelegentlich auch mithilfe ihrer Stosszähne zu graben. Sie gelangen so an Grundwasser, das sich in den neu entstandenen Wasserlöchern sammelt und freien Zugang auf diese lebenswichtige Ressource ermöglicht – nicht nur für die grauen Riesen, sondern auch zum Vorteil etlicher anderer Tierarten.
Beobachtungen bei asiatischen Elefanten haben offenbart, dass Frösche in den mit Wasser gefüllten Fusstapfen der Elefanten laichen und diese daher als Kinderstuben für Kaulquappen herhalten. Ausserdem helfen die Mini-Biotope dabei, die fragmentierten Lebensräume der Frösche miteinander zu verbinden, was zum Erhalt der genetischen Vielfalt von Froschpopulationen beiträgt.

Vielfrass und Landschaftsgestalter

Die klugen Dickhäuter nehmen täglich bis zu 300 kg Nahrung zu sich. Rinde, Pflanzenteile oder Früchte werden verdaut und die Reste, unter anderem Pflanzensamen, wieder ausgeschieden. Da lange Wanderrouten bei Elefanten keine Seltenheit sind, werden solche Samen oft weitläufig verteilt und können in mehr als 50km Entfernung vom ursprünglichen Standort abgesetzt werden. Pflanzen können sich so in neuen Gegenden ansiedeln und Tieren als Lebensraum und Nahrung dienen. Die Artenvielfalt wird somit durch die Essgewohnheiten der Elefanten bedeutend erhöht.
Der Elefantendung selber ist sehr nährstoffreich und wirkt daher als Dünger. Er unterstützt die Keimung und das Wachstum von Pflanzen und dient zudem als willkommene Nahrungsquelle für die ganz Kleinen. Besonders frischem Dung können beispielsweise Mistkäfer kaum widerstehen. Sie rollen perfekt geformte Mistkugeln, in die sie ihre Eier legen, bevor sie sie vergraben – ihre Larven ernähren sich später davon. Wenn Mistkäferpopulationen gedeihen, hilft dies wiederum anderen Tierarten wie der Maus und dem Honigdachs, die sich unter anderem von diesen Larven ernähren.

Zu guter Letzt sind Elefanten auch bekannt als erfolgreiche Landschaftsgärtner. Auf ihren Wanderungen und auf der Suche nach Futter streifen sie auch durch Wälder. Sie brechen Äste ab oder werfen ganze Bäume um, wenn sich diese in ihrem Weg befinden – oder um an ihre frischen Blätter zu kommen. Das mag zerstörerisch wirken. Allerdings sind diese gestalterischen Tätigkeiten entscheidend für das gesunde Funktionieren von Ökosystemen. Wenn Elefanten die geschaffenen Wege nutzen können, können es auch ganze Reihen von anderen, kleineren Organismen.

Das Entfernen von Büschen verhindert eine Überwucherung der Vegetation und hält offene Flächen frei. Die Graslandschaften bleiben zugänglich für Zebras, Antilopen, Büffel und andere Weidetiere. Ausserdem entstehen dadurch neue Lichtungen, in denen die Sprösslinge besser wachsen. Die zu Boden gefallenen Bäume und Äste bieten wiederum Nahrung für Tiere, die ansonsten kaum erreichbar gewesen wäre.

Bedeutsamkeit der Elefanten als Ökosystem-Ingenieure

Die Anzahl Elefanten nimmt weltweit ab. Vor allem die in den Afrikanischen Regenwäldern lebenden Waldelefanten sind so gefährdet wie noch nie. Mit ihrer Düngeaktivität im Wald fördern sie das Wachstum von Pflanzen und Bäumen und entfernen Gebüsch, was anderer Vegetation zugutekommt. Die übriggebliebenen Bäume profitieren von mehr Platz, wachsen schneller, produzieren damit mehr Sauerstoff und binden gleichzeitig auch mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Würden sich allein die Bestände der Waldelefanten erholen, könnten riesige Kohlenstoffmengen gespeichert werden; etwa 6000 Tonnen pro Quadratkilometer. Dies entspräche einer Ökosystemleistung von rund 150 Milliarden US Dollar.

Auch der Afrikanische Elefant wird auf der roten Liste als gefährdet eingestuft. Zogen anno 1979 noch 1.3 Millionen über den Kontinent, waren es laut der Weltnaturschutzunion IUCN im Jahr 2016 nur noch 415'000 Tiere. Vermehrt gibt es Schutzprogramme und Reservate, die unter anderem den Schutz der Elefanten zum Ziel haben. Bleiben uns nämlich die Elefanten erhalten, nützt dies nicht nur dieser einen Spezies. Ihre wichtigen Funktionen im Ökosystem garantieren auch das Überleben vieler anderer Pflanzen und Tiere.

Elefanten sind also unersetzliche Zeitgenossen. Vor allem sind sie mehr wert als nur ihr Elfenbein. Sie gestalten die Landschaft und schaffen intakte Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Ihr Schutz sollte also nicht nur um ihrer selbst willen Priorität haben, sondern auch zum Erhalt eines gesunden Ökosystems. 

In der nächsten Woche beschäftigen wir uns mit den Aasfressern, deren unentbehrliche Funktion in der Natur oft unterschätzt wird.