«Die Lösungen sind vorhanden, wir müssen sie jetzt umsetzen!»
Umwelt- und Klimaschutz ist für viele junge Schweizerinnen und Schweizer ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Umweltnetz-Schweiz will genauer wissen, weshalb.
Moritz Breitenmoser und Fabian Bättig studierten beide Umweltnaturwissenschaften im Bachelor und sind nun in ihrem Master. In diesem Jahr haben sie an der ClimateScience Olympiade mitgemacht und haben sich für die Final-Runde qualifiziert. Die Abschlusszeremonie des Wettbewerbs fand - zeitgleich wie die Weltklimakonferenz - in Glasgow statt. In einem informativen Gespräch erzählen sie gegenüber Umweltnetz-Schweiz mehr über ihre Erfahrungen und Erlebnisse.
Umweltnetz-Schweiz: Fabian und Moritz, ihr habt an der ClimateScience Olympiade mitgemacht. Was kann ich mir darunter genau vorstellen?
Moritz Breitenmoser: Die ClimateScience Olympiade ist eine Art globaler Wettbewerb, der jungen Menschen die Möglichkeit gibt – unter Zeitdruck - an relevanten und aktuellen Umweltproblemen ihre Fähigkeiten zu testen.
Fabian Bättig: Teilnehmer aus allen Ländern konnten an diesem Wettbewerb mitmachen. Es gab ungefähr 12’400 Teams, die teilgenommen haben, alle mit Mitgliedern im Alter zwischen 14 und 25 Jahren. Zuerst gab es zwei Vorrunden, bei welchen wir zwischen drei Problemstellungen auswählen konnten und eines davon innerhalb von drei Stunden beantworten mussten. Das waren jeweils drei Fragen und man musste zu jeder Frage 300 Wörter schreiben. Dann kam man entweder eine Runde weiter oder nicht. In der Finalrunde hatte man dann 24 Stunden Zeit, um eine Problemstellung zu lösen.
Was wurden euch für Aufgaben gestellt?
Moritz B.: Mein Lieblingsbeispiel ist das mit Äthiopien: Wir mussten das Wassermanagement in Äthiopien verbessern. Momentan hat es dort genug Wasser, aber es geht sehr viel übers Abwasser verloren. Mit dem Klimawandel wird die Wassermenge zukünftig abnehmen. Daher wollten wir das Bewässerungssystem verbessern und die Kläranlagen aufpeppen.
Ein zweites Beispiel war Foodwaste. Foodwaste macht 6% aller Emissionen aus – das ist einem gar nicht wirklich bewusst. Die Frage hier war, wie wir dieses Problem minimieren können, sowohl beim Produzenten als auch beim Endverbraucher.
Was hattet ihr für Lösungsansätze?
Moritz B.: Wir versuchten möglichst verschiedene politische Lösungen zu präsentieren, sprich so viel in Betracht zu ziehen wie möglich. Wir habe daher eine Kombination von Lösungen vorgeschlagen. Für den Fall in Äthiopien war das einerseits Agroforestry, auf Deutsch Agrarforstwirtschaft. Das ist ein System, um verschiedene Elemente – Ackerbau, Landwirtschaft und Tierhaltung - zu kombinieren und so auf wasserintensive Monokulturen zu verzichten. Andererseits wollten wir die Wasseraufbereitung verbessern, indem wir Siedebecken einbauen. Die Idee dabei ist, das Abwasser in grossen Becken einige Tage stehen zu lassen, um die schlimmsten Verschmutzungen durch Sedimentation loszuwerden. Das gibt dann zwar kein Trinkwasser, verkleinert aber das Risiko, Krankheiten über die Landwirtschaft zu verbreiten, wenn das Wasser zu Bewässerung verwendet wird. Schlussendlich haben wir auch noch einige Staudämme gebaut.
Fabian B.: Wichtig war, dass es Lösungsansätze sind, die nicht zu investitionsintensiv sind, damit das vor Ort finanzierbar ist. Denn je mehr Investitionskosten zu bezahlen sind, desto schwieriger wird es, ein Projekt zu finanzieren. Auch die Wartungen sollten nicht zu viel Zeit brauchen, da die Leute je nachdem andere Sorgen haben, als einen Staudamm zu warten.
Moritz B.: Was uns auch wichtig war, ist, dass wir nachhaltiges Wissen schaffen. Dass wir daher nicht einfach als weisse Europäer dort hinkommen, eine ganze Infrastruktur errichten, und nach fünf Jahren sind sie wieder gleich weit wie heute. Wir wollten lokal die Menschen ausbilden, damit das Wissen in der Region erhalten bleibt.
Seid ihr immer zu einer Übereinkunft gekommen, oder hattet ihr manchmal auch verschiedene Vorschläge?
Fabian B.: In den Vorrunden hatten wir immer drei Stunden Zeit für die Beantwortung der Fragen. Wir haben jeweils unabhängig voneinander begonnen zu recherchieren und sind dabei meist in verschiedene Richtungen gegangen. Aber ich glaube, wir hatten nie Ideen, welche der andere schlecht fand. Wir fanden immer zusammen.
Moritz B.: Gerade da wir versucht haben, mehrere Lösungsansätze zu kombinieren, haben sich unsere Recherchen mehr ergänzt als ausgeschlossen. Wir haben ein gutes Team abgegeben.
Setzt ihr euch privat auch anders für den Umweltschutz ein?
Fabian B.: Das klassische Beispiel ist wohl das Fliegen: Ich sage zwar nicht «nie mehr», denn das ist immer schwierig – aber in den letzten fünf Jahren kam ich mit dem Grundsatz «ich fliege nicht» ganz gut zurecht. Ansonsten achte ich mich auf Alltagsdinge, die viele machen – oder auf jeden Fall viele in meinem Studien- und Kollegenkreis: Ich esse kein Fleisch, ich benutze oft das Fahrrad, ich bin manchmal an Streiks dabei und ich gehe immer entsprechend wählen.
Moritz B.: Bei mir sieht es ähnlich aus. Ich bin in keiner Organisation aktiv ausserhalb des Studiums. Ich sehe es bei mir eher als eine Leidenschaft; aber eine, die ich beruflich verfolgen möchte. Ich finde, es ein wichtiges Thema, aber ich brauch meine Freizeit gerne auch für anderes. Ich gehe aber sehr gerne demonstrieren - sei es bei Critical Mass oder beim Klimastreik – und ich bin auch sonst politisch aktiv und gehe immer wählen. Ich glaube, wir leben mit unserem Studium sehr in einer Bubble. Es ist für uns normal, dass wir beim Einkaufen Naturaplan statt Prix Garantie nehmen.
Gibt es bei euch Grenzen? Dinge, die ihr für den Umweltschutz nicht ändern würdet?
Fabian B.: Ich habe ein halbes Jahr vegan gelebt und dann bemerkt, dass meine Blutwerte am Boden sind - bei allem, was irgendwie wichtig ist. Seither lebe ich nicht mehr vegan, denn es ist es mir nicht wert, ungesund zu leben und mir dann etwas zu spritzen, weil ich es nicht natürlich aufnehmen kann. Diese Trade-Offs sind auch aus Umweltperspektive schwierig: Ist es nachhaltig, sich vegan zu ernähren und dafür regelmässig B12-Spritzen zu nehmen? Ich will damit nicht sagen, dass vegan grundsätzlich ungesund ist. Denn wenn man sich mit dieser Ernährungsweise genügend auseinandersetzt und – anders als ich –einen guten Stoffwechsel hat, hat man dieses Problem wahrscheinlich nicht! Aber diese Diskussion kennt man ja zu Genüge.
Moritz B.: Ich kann nicht genau sagen, wo meine Grenzen sind.
Aber um meinen ökologischen Fussabdruck auf null hinunterzubringen, dürfte ich nicht in der Schweiz leben.
Bei uns ist es in der aktuellen Situation fast unmöglich, nicht einen negativen Einfluss auf die Umwelt zu haben. Allein schon die Infrastruktur, welche durch mich als Bürger entsteht.
Ich bin auch vegi und nicht vegan. Ich gebe mir Mühe, ab und zu mal wieder bewusst vegan zu essen, einfach um mir ins Gedächtnis zu rufen, was das eigentlich für ein Privileg ist. Aber ich bin jetzt nicht sehr hardcore unterwegs, was das anbelangt. Ich versuche auch nicht, andere von einem nachhaltigeren Lebensstil zu überzeugen. Das könnte ich eigentlich etwas öfters machen…
Ihr konntet für die Abschlusszeremonie der Climate-Science Olympiade nach Glasgow reisen. Habt ihr dort etwas von der Weltklimakonferenz mitbekommen?
Moritz B.: Mitbekommen haben wir eher das Drumherum. Die Klimakonferenz war auf drei Standorte verteilt: An einem fanden die Verhandlungen statt, an einem die Ausstellungen verschiedener Länder und an einem war die Green Zone für private Unternehmen und NGO’s. Wir konnten in diese Green Zone hinein. Das war insofern interessant, da wir den ganzen Zirkus um solch eine Konferenz mitbekamen. Man hat wirklich überall – in der Stadt, aber auch etwas ausserhalb - gespürt, dass da eine Weltklimakonferenz stattfindet. Es hatte eine grosse Polizeipräsenz.
Für mich hinterliess die Green Zone aber ein bisschen einen Greenwashing-Eindruck. Das ist beim COP, denke ich, allgemein etwas ein Thema. Was aber eindrücklich war, waren die grossen Namen, welche da aufgetaucht sind. Gerade bei unserem Event wurde Jane Goodall, die britische Verhaltensforscherin, zugeschaltet. David Attenborough, der Naturforscher, hielt verschiedene Reden, und wir sind einer Reporterin über den Weg gelaufen, die extrem nervös war, weil sie am nächsten Tag ein Interview mit Obama hatte.
Fabian B.: Der spannendste Teil der Weltklimakonferenz fand dort statt, wo wir nicht hindurften. Auch andere Personen, die wir in der Green Zone getroffen haben, meinten, dass das COP im Prinzip ein riesiges Greenwashing-Festival sei. Nur im Hintergrund gäbe es ein paar wichtige Verhandlungen, aber im Grossen und Ganzen sei es einfach Greenwashing. Nach dem, was ich in der Green Zone gesehen haben, ist diese Aussage schon nicht ganz verkehrt. Aber abschliessend beurteilen kann ich das natürlich nicht.
Wir haben einige Vorträge gehört – über die Klimakrise und Menschenrechte - und die Aussage war im Prinzip immer, dass der Norden dem globalen Süden Geld zahlen soll – was ja auch nicht grundlegend falsch ist. Es ging immer darum, die Probleme zu erklären, aber es wurden nie greifbare Lösungen vorgeschlagen.
Man hörte einfach ein Problem nach dem anderen, aber keine konkreten Lösungsvorschläge.
Für mich war das sinnbildlich: Alle haben beschrieben, was das Problem ist und was wir theoretisch machen sollten, und alle haben sich dafür auf die Schultern geklopft. Und das war auch alles richtig – aber es ist nie weiter gegangen als das. Ich hoffe, dass dies in anderen Zonen der COP26 anders zu und hergegangen ist.
Was haltet ihr von den Resultaten, die nach der Weltklimakonferenz publiziert wurden? Seid ihr zufrieden?
Fabian B.: Ich denke, «zufrieden» ist das falsche Wort, weil es ja doch nicht reicht, was dort beschlossen wurde. Besonders, wenn man den kurzfristigen Rückzug von Indien und China aus dem Kohleaussteig betrachtet, stimmt mich das nachdenklich. Aber ein so etabliertes System wie unser Weltwirtschaftssystem zu verändern, braucht halt Zeit. Es ist ja auch nicht darauf ausgelegt, ständig verändert zu werden. Man kann deshalb auch nicht von einem totalen Versagen sprechen, obwohl ich natürlich gerne ambitioniertere Ziele gesehen hätte.
Moritz B.: Ich würde mal pauschal sagen, dass ich nicht zufrieden bin. Denn alles, was mich zufrieden gestellt hätte, wäre viel radikaler gewesen. Was mich aber zufrieden stellt ist, dass es überhaupt so eine Konferenz gibt. Dass alle grossen Länder sagen, ja, es gibt den Klimawandel, und man muss etwas dagegen machen.
Es war vor vier Jahren noch nicht selbstverständlich, dass wir nicht mehr diskutieren müssen, ob es den Klimawandel gibt, sondern dass wir diskutieren, was wir dagegen unternehmen möchten. Das ist ein schwacher Trost, aber es ist einer.
Gab es ein bestimmtes Ereignis in Glasgow, das euch bestimmt noch lange in Erinnerung bleiben wird?
Fabian B.: Ganz zu Beginn unserer Abschlusszeremonie stand Jane Goodall auf der Bühne bzw. auf dem Zoom-Screen. Sie fasste auf eine sehr schöne, ehrliche und leicht melancholische, aber trotzdem positive Art zusammen, wie absurd unsere Umweltprobleme eigentlich sind und wie absurd es ist, dass wir die Ressourcen und allgemein die Umwelt so krass ausbeuten, wie wir das im Moment machen.
Jeder Person ist intuitiv bewusst, dass es falsch ist, was wir machen, aber wir können uns einfach in der Masse verstecken.
Schade war nur, dass diesen Vortrag nur Menschen hörten, die sich ohnehin mit dem Thema befassen.
Moritz B.: Ein anderer Vortrag war zum Thema Big Data. Da ging es unter anderem darum, dass ein Unternehmen im Urwald Mikrofone in den Baumkronen installieren und vernetzen will. Durch künstliche Intelligenz kann man dieses Netzwerk dann so aufbauen, dass es frühzeitig vor illegaler Abholzung warnt. Allein bereits dadurch, wie die Tiere reagieren, kann das Programm einige Stunden früher warnen: Achtung, bald wird hier geholzt. Das hat mir gezeigt, dass wir zwar extrem viele Probleme haben, aber wir haben auch die menschliche Innovation, die ihnen entgegenwirken kann. Das gab mir etwas Hoffnung.
Fabian B.: Als Abschluss kann man sagen: Der Klimawandel ist ein riesiges, komplexes Problem – aber wir wissen, was wir dagegen machen könnten. Wir wissen auch, wie wir das machen könnten. Woran es fehlt, ist der globale politische Wille an einem Strang zu ziehen, und das Risiko einzugehen, dass andere nicht mitziehen. Obwohl einem manchmal alles als unlösbar erscheint, gibt mir dies doch recht viel Mut: Die Lösungen sind vorhanden, wir müssen sie aber jetzt umsetzen!
Herzlichen Dank für das informative Gespräch!
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