Erkennt der Hahn sich selbst?

Der Spiegeltest ist eine bereits bekannte Methode der Verhaltensforschung. Eine neue Variante davon erhärtet nun die Vermutung, dass auch Hähne über ein Ich-Bewusstsein verfügen.

Erkennt der Hahn sich selbst?
Forschende meinen, der Hahn erkenne sich möglicherweise im Spiegel selbst. (svklimkin, Pixabay)

Wir Menschen stellen uns schon lange die spannende Frage, ob wir die einzigen Lebewesen sind, die über eine Ich-Wahrnehmung verfügen. Bislang konnte anhand verschiedener Experimente nachgewiesen werden, dass es einige Tiere gibt, die sehr wohl über eine Art des Selbstbewusstseins verfügen. Elefanten und Delfine zählen ebenso dazu wie die Elster. Durch neue Methoden gelangten Forschende nun zur Ansicht, dass auch Hähne sich womöglich im Spiegel selbst erkennen.

Wie wird getestet, ob ein Tier ein Ich-Bewusstsein hat?

Ein klassisches Mittel, um zu prüfen, ob ein Tier sich seiner selbst als einem Individuum bewusst ist, ist der Spiegeltest. Oft in Form des sogenannten Markierungstests: Das Tier soll erkennen, dass sich eine an seinem Körper befindliche Markierung, die es im Spiegel sieht, an ihm selbst (und nicht an dem gespiegelten Gegenüber) befindet. Aufs Erste klingt das nach einer soliden Methodik, die dann allerdings zahlreiche potentielle Fehlerquellen aufweist. Solche Tests sind oft nicht an das Verhalten der jeweiligen Spezies angepasst. Tiere, die den Test nicht bestehen, sollten also nicht pauschal als «ohne Ich-Bewusstsein» eingestuft werden.

Weiss der Hahn, wer er ist?

Hühner bestehen Markierungstests meist nicht. Doch neue Forschungen zeigen nun, dass Hühner möglicherweise doch über etwas wie ein Bewusstsein ihres individuellen Selbst verfügen. Ein Team um die Biologin Sonja Hillemacher an der Universität Bonn entwickelte eine Spielart des Tests für Hähne: Der Spiegeltest soll unter «natürlicheren» Bedingungen – sprich unter Voraussetzungen, die besser an das ökologisch relevante Verhalten der Hühnervögel angepasst sind – stattfinden.
Wie die Forschenden anhand 58 Hähnen im Labor beobachten konnten, warnen die Tiere ihre Artgenossen durch spezielle Rufe vor Gefahren. Anders verhalten sie sich, wenn sie allein sind. In dieser Situation bleiben sie ganz ruhig, damit sie nicht entdeckt werden.
Für die Tests setzten die Forschenden die Hähne drei verschiedenen Situationen aus, in denen in einem Raum ein Raubvogel an die Decke projiziert wurde; in Gesellschaft eines durch ein Gitter abgetrennten Artgenossen sowie alleine, mit und ohne Spiegel. Das Ergebnis ist klar: Alleine (ohne Spiegel) blieben sie still, zu zweit warnten sie einander. Das war das erwartbare natürliche Verhalten. Doch wie sah es nun aus, wenn sie sich nur mit dem gespiegelten Abbild ihrer selbst im Raum befanden?
In insgesamt 174 Spiegeltests zeichneten die Forschenden nur 25 Warnrufe der Hähne auf. Hillemacher meint, das zeige deutlich, dass Hähne ihr Spiegelbild nicht als einen Artgenossen identifizieren. Ansonsten hätten sie ihr Abbild weit öfter gewarnt.

Doch wie immer bei diesen Tests steckt der Teufel im Detail. Auf der einen Seite kann das Testergebnis so interpretiert werden, dass sich die Hähne in ihrem Abbild selbst erkannten. Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, dass die Hähne lediglich einen sonderbaren, ihnen unbekannten Hahn erkannten und deshalb auf einen Warnruf verzichteten.
Weitere Untersuchungen sind also erforderlich. Dennoch ist klar, dass die Ergebnisse eines Spiegeltest, der dem natürlichen Verhalten des jeweiligen Tieres angepasst ist, verlässlicher ist als die „klassische“ Variante. So könnte noch bei vielen weiteren Tierarten eine Form und das genauere Ausmass eines Ich-Bewusstseins ermittelt werden.