Geschichte der Umwelt: Spätantike und frühes Mittelalter

In der Artikelserie „Geschichte der Umwelt“ machen wir eine Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte. Nächste Station: Das Frühmittelalter.

Geschichte der Umwelt: Spätantike und frühes Mittelalter
Klostergärten zeugen von der landwirtschaftlichen Nutzung der Umwelt im Mittealter. (Jacques Gaimard, Pixabay)

Die Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter war bewegt. Indes besteht es keine einheitliche Definition, wann genau die eine Epoche endete und wann die andere begann. Trotzdem gab es tiefe Einschnitte in Lebensgewohnheiten. Diese akkumulierten sich aber eher über der Zeit, als dass sie blitzartig stattfanden. In der westlichen Geschichtsschreibung ist der Untergang des weströmischen Reiches ein einschneidendes Ereignis, auch wenn sich dafür kein präzises Datum festlegen lässt.
Grundsätzlich kann man eine Zeitspanne um 500 ausmachen, binnen derer diese Umwälzungen stattfanden. Je nach Forschungsschwerpunkt gibt es unterschiedliche Definitionen ihrer Dauer. Ein Extrembeispiel: Nimmt man das Heilige Römische Reich als einen Indikator für das Mittelalter, so kann man argumentieren, dass es erst 1806 mit der Auflösung des Reiches endete.

Das Klima als Hauptakteur der Geschichte?

Etwa zur gleichen Zeit, zu der das Ende der Antike angesetzt wird, existieren Nachweise für ein Klimapessimum, also eine Zeit mit ungünstigem Klima. Zwar sind genaue Daten schwer zu rekonstruieren, jedoch wird vermutet, dass Vulkanausbrüche zwischen 536 bis etwa 660 zu niedrigen Durchschnittstemperaturen führten. Ausserdem befand sich die Nordhalbkugel ab dem 4. Jahrhundert schon in einer Kühlphase, was den Effekt noch verstärkt haben dürfte. Diese Klimaanomalie hatte vorwiegend auf der Nordhemisphäre Auswirkungen. Gregor von Tours, Bischof und Geschichtsschreiber, schreibt zum Jahr 548:

In diesem Jahr war der Winter hart und rauher als gewöhnlich, so dass die Flüsse von Eis bedeckt waren […]. Auch den Vögeln setzte die Kälte […] zu, und ohne irgendeine List der Menschen konnte man sie mit der Hand greifen, denn es lag viel Schnee.
(MGH SS rer. Merov. 1,1, S. 132, Übers.: Sebastian Scholz)

Es gab aber regionale Unterschiede: Auf der Arabischen Halbinsel soll es aufgrund von Ascheablagerungen zu einem Anstieg der Erträge gekommen sein. Im Chinesischen Kaiserreich kam es zwischen 220 bis 581 zu einer Umbruchszeit, in denen verschiedene Königreiche um die Vorherrschaft im Gebiet kämpften. Dort lassen sich Hinweise auf Dürren und Missernten finden. Im gesamten Eurasischen Raum kam es zu grösseren Bewegungen verschiedener Bevölkerungsgruppen, gemeinhin als ‚Völkerwanderung‘ bekannt (eine Formulierung, die heutzutage umstritten ist). Es wird vermutet, dass unter anderem klimatische Bedingungen mit ein Grund waren, wieso diese Gruppen in den westeuropäischen Raum vordrangen. Im oströmischen Reich brach die Justinianische Pest aus: Zwar ist ein Zusammenhang mit dem Klimapessimum nicht vollständig belegbar, eine Beeinflussung mag aber stattgefunden haben.
Es wäre gleichwohl voreilig, aus diesen Indizien den Schluss zu ziehen, dass Klimaschwankungen den Lauf der Geschichte determiniert hätten. Die Schwankungen und daraus resultierenden Missstände mögen ein Grund für Umbrüche gewesen sein, jedoch nicht der alleinige. In den allermeisten Fällen waren weitere Faktoren mitverantwortlich. So war beispielsweise das Römische Reich von internen politischen Problemen geplagt, was zu langanhaltender Instabilität führte – ein weiterer Aspekt, der zum Untergang führte.

Einfluss des Menschen auf die Umwelt

Durch das Auseinanderbrechen des straff strukturierten Weströmischen Reiches zeigten sich menschliche Einflüsse auf die Umwelt danach weitaus lokaler – zumindest in den Gebieten des gefallenen Imperiums. Aufwändige Arbeiten wie Silber- oder Goldabbau brauchten viele Ressourcen, was ein stark organisiertes System voraussetzte. Etwas, das die frühmittelalterlichen Reiche nicht bieten konnten. So verlagerte sich beispielsweise der Schwerpunkt des Silberabbaus in den muslimischen Raum. Auch in China wurden, als die Kaiser der Sui-Dynastie 581 das Land vereinigt hatten, wieder grosse Projekte erschaffen, wie beispielsweise der Kaiserkanal.
In Westeuropa war die Gesellschaft landwirtschaftlich geprägt. Handel wurde oft über den Wasserweg betrieben, sodass Kanäle erbaut wurden, jedenfalls regional. Grössere Projekte, wie ein nie vollendeter Main-Donau-Kanal, wurden erst unter dem konsolidierten Karolingerreich in Angriff genommen. Grundsätzlich darf man also die Behauptung aufstellen, dass es, aufgrund der schwächer organisierten Herrschaftsgebiete, weniger tiefgreifende menschliche Umwelteingriffe gab als noch unter den Römern.

Das dunkle Zeitalter?

Nach dem Zerfall des Imperium Romanum brach aber kein  ‚dunkles Zeitalter‘ an. Viele der Strukturen, welche die Römer aufgebaut hatten, bestanden noch Jahrzehnte fort. In gewissen Bereichen des Lebens kam es während der beschriebenen Umbruchszeit zu Schwerpunktsverlagerungen. Dies hatte zur Folge, dass neue Formen des Lebens sich allmählich festigten, in denen man schlicht und einfach keinen Gebrauch mehr für ältere Strukturen hatte. Auch sind heutzutage viele Vorurteile der älteren Forschung widerlegt. So kann man, zumindest für einige Regionen, eine relativ hohe Schriftlichkeit belegen. Zudem ist die Annahme, dass im Mittelalter nur Tauschhandel betrieben wurde, revidiert.
Die Umwelt war ein prägender Bestandteil der Spätantike und des Frühmittelalters, vor allem, da die Kälteperiode mit sozialen Veränderungen Hand in Hand ging. Im Hoch und Spätmittelalter folgte eine Wärmeperiode, die wiederum mit weitläufigen Wandel einherging.

Quellen und weitere Informationen
Büngten et al.: Cooling and Societal Change During the Late Antique Little Ice Age from 536 to Around 660 AD.
Eric N. Anderson: Food and Environment in Early and Medieval China, Philadelphia/PA, 2015.
Peter N. Peregrine: Climate and Social Change at the Start of the Late Antique Little Ice Age.
Wang et al.: Climate, Desertification, and the Rise and Collapse of China’s Historical Dynasties.