«Sprechen Tiere miteinander?»

Dass Tiere miteinander kommunizieren, steht ausser Frage. Wir nehmen aber oft nur die Tiere wahr, die eine Lautsprache haben. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Kommunikationsweisen.

«Sprechen Tiere miteinander?»
(svklimkin, Pixabay)

Unsere Gedanken, Gefühle und Meinungen mit anderen teilen zu können, das ist für uns Menschen als soziale Lebewesen ein wichtiger Bestandteil unseres Daseins. Sprachen sind für uns so universell wichtig, dass wir weltweit gleich 6’000 davon entwickelt haben. Ganz ähnlich geht es anderen Tieren. Auch sie nutzen unterschiedliche Kommunikationsweisen, um sich mit Artgenossen zu verständigen oder sich in ihrem Lebensraum zurechtzufinden.

Die Lautsprache der Natur

Für uns Menschen ist die Stimme der Inbegriff der Sprache. Wir sind aber noch lange nicht die einzigen Lebewesen, die mit komplexen Lauten kommunizieren. Wie wir nutzen andere Tiere vielfach Laute, um sich mit Artgenossen auszutauschen, sich in die Gruppe einzufügen und zusammenzuarbeiten. Es werden unterschiedliche Töne eingesetzt, um Artgenossen entweder auf Abstand zu halten, sie anzulocken, zu begrüssen, zu besänftigen oder zu warnen.

Die Meister in Sachen Klangsprache sind Vögel. Vor allem die Männchen sind wahre Gesangsvirtuosen. Einige Vögel, darunter viele Rabenarten, können sogar die Stimmen anderer Tiere und des Menschen nachahmen. Aber Laute allein sind noch nicht wirklich eine Sprache. Dazu gehört erstens eine Semantik, das heisst das bestimmte Äusserungen eine unveränderliche Bedeutung haben. Zweitens braucht es eine Grammatik — die Sprache gehorcht also gewissen Regeln, um Missverständnissen vorzubeugen.

Ersteres wurde bereits 2009 bei Vögeln nachgewiesen. Forscher haben es damals schon so weit gebracht, die Laute gewisser Vögel zu entschlüsseln. Sibirische Unglückshähern (Perisoreus infaustus) haben beispielsweise bestimmte „Wörter“ für unterschiedliche Feinde. Dasselbe wurde auch bei Meerkatzen nachgewiesen.

Anhand maschineller Lernverfahren können heute noch mehr Tiersprachen analysiert werden. Damit lassen sich Tiersprachen auf Semantik prüfen. Die Forscherinnen des CETI-Projekts, der „Cetacean Translation Initiative“, setzen beispielsweise auf Algorithmen, die in den letzten Jahren eine sprunghafte Entwicklung in der Modellierung von menschlichen Sprachen genommen haben. Diese Programme erkennen aus grossen Mengen von Texten oder Tonaufzeichnungen die Struktur einer Sprache, ohne auch nur etwas über die Wörter oder Sätze zu wissen. Sie lernen nicht nur, welche Wörter häufig nebeneinander auftauchen. Sie erkennen auch die Regeln des Satzbaus und sind in der Lage, grammatisch korrekte Sätze zu formulieren. Diese Sprachmodelle werden nun auf Pottwale angewendet. Denn sie verständigen sich mit Klicklauten, die unseren Morsezeichen stark ähneln — sie sind die perfekten Kandidaten für dieses Projekt. Der Knackpunkt ist bislang: Die Sprachmodelle können nichts über den Inhalt der Sprache aussagen, in der sie so geschickt Texte bilden. Deshalb wollen die Forscherinnen und Forscher von Anfang an die Sprachaufnahmen mit automatisch erfassten Daten zum Verhalten der Wale ergänzen. Man erhofft sich daraus, etwas mehr über den Inhalt ihrer Kommunikation erfahren zu können. Im Sommer 2022 soll mit der Sammlung der Daten begonnen werden.

Gerüche, Tänze, Farbspiele

Bis wir die Klicklaute der Pottwale entziffern können, müssen wir uns also noch etwas gedulden. Unterdessen gibt es aber noch andere Kommunikationsweisen als die Lautsprache, die uns vielleicht etwas fremder sind. Neben Lauten, Mimik und Gestik steht den Tieren ein grosses Repertoire an Kommunikationsmitteln zur Verfügung, die wir Menschen weniger kennen. Eine raffinierte Möglichkeit, sich zu verständigen, sind chemische Signale. Um ihren Artgenossen den Weg zu einer Futterquelle zu weisen, legen Ameisen eine Duftspur zwischen Nest und Zielgebiet, der die anderen Tiere folgen können. Nachtfalter-Weibchen geben während der Paarungszeit Pheromone ab, die Männchen über eine grosse Entfernung anlocken.

Ausser chemischen Signalen verwenden gewisse Insekten auch ihre Körpersprache zur Verständigung mit Artgenossen. Eine ganz einzigartige Sprache besitzen Bienen: Sie verständigen sich über verschiedene Arten von Tänzen. Der Rundtanz beispielsweise wird unter Sammlerinnen vorgeführt, um die Verfügbarkeit von Futterquellen bis zu 100 Meter vom Bienenstock mitzuteilen. Die Biene läuft bis zu drei Minuten in einem kleinen Kreis umher. Nach einer Umdrehung ändert sie dann ihre Richtung. Den Schwänzeltanz tanzt eine Biene, wenn die Futterquelle mehr als 100 Meter entfernt ist. Dieser Tanz hat seinen Namen von der schwänzelnden Bewegung, die die tanzende Biene vollzieht. Zwei Dinge teilt die Biene mit ihrem Tanz mit: Die Entfernung zum Fundort und die Richtung, die einzuschlagen ist, um zum Fundort zu gelangen.

Ein prächtiges Farbenspiel bieten Tintenfische. Dieses sieht aber nicht nur beeindruckend aus, sondern dient ihnen als wichtiges Kommunikationsmittel. Normalerweise sind sie zwar Einzelgänger, sobald sie jedoch auf einen Artgenossen treffen, senden sie durch Farbänderungen verschiedene Signale. Bei Revierkämpfen etwa nehmen sie eine möglichst dunkle Farbe an — derjenige mit der dunkleren Farbe gewinnt. Ihre Farbe ändern sie, indem Tintenfische die Muskeln um Pigmentzellen zusammenziehen — die Pigmente sind dadurch weniger sichtbar. Entspannen sich die Muskeln, färbt sich die Haut an dieser Stelle. Auf diese Weise können die Tiere verschiedenste Farbmuster erzeugen.

Bis zur Erfüllung des alten Menschheitstraums, die Sprache der Tiere zu verstehen, ist es bei all dem noch etwas hin. Auch haben wir noch keine Ahnung, was wir dann zu hören kriegen: Nur kurze Befehle und Warnungen, oder auch etwas sinnvolles wie Klatsch und Tratsch. Aber was wir indessen gut wissen, ist, dass Kommunikation — auch komplexere — nicht auf den Menschen beschränkt sind.